junge Welt, 18.11.2000 Es waren nicht einmal 100 Menschen, die am 11. November durch den Berliner Stadtteil Neukölln demonstrierten. Aufgerufen dazu hatte das Bündnis Detudak, zu dem sich linke türkische Gruppen im Kampf gegen die Isolationsgefängnisse zusammengeschlossen hatten. Deutsche Linke glänzten an diesem Tag mehr oder weniger durch kollektive Abwesenheit. Das war keine Ausnahme. Die zersplitterte anatolische Linke im deutschen Exil versucht seit Monaten, mit Veranstaltungen, Plakaten und anderen Aktionen die Öffentlichkeit über die drohende Einführung der sogenannten F-Typ-Gefängnisse in der Türkei zu informieren. Seit dem 20. Oktober hat sich die Situation zugespitzt. An diesem Tag sind fast 1 000 Gefangene aus der gesamten Türkei in einen Hungerstreik getreten, der in den nächsten Tagen in ein Todesfasten übergehen soll. Die Gefangenen werden ihre Aktion erst abbrechen, wenn ihre Forderungen erfüllt sind, selbst wenn sie dabei ihr Leben riskieren. Seit dem 13. November verweigern etwa 25 türkische Gefangene in Deutschland, Belgien und Frankreich ebenfalls die Nahrung. Diese vorerst auf 20 Tage befristete Aktion könnte für viele Gefangene schwere gesundheitliche Folgen haben. So leidet der in Berlin-Tegel inhaftierte Ihsan Ersoy nach vorangegangenen Hungerstreiks und einer Zwangsernährung an einer schweren Schädigung der Bauchspeicheldrüse, so daß er seit Beginn des Hungerstreiks Wasser erbricht. »Mein Arzt hat mir zwar gesagt, daß ich in meiner gesundheitlichen Situation keinen Hungerstreik mehr machen kann. Doch für mich war klar, daß ich meine Genossen in der Türkei unterstütze«, erklärte Ersoy gegenüber junge Welt. Auch der in Lübeck inhaftierte Rainer Dittrich hat sich dem Hungerstreik für eine begrenzte Zeit angeschlossen. In Ulm, Hamburg und Köln haben türkische Männer und Frauen auch außerhalb der Knäste mit Solidaritätshungerstreiks begonnen. Auch für Berlin sind solche Aktionen geplant. In den nächsten Tagen mobilisieren türkische Solidaritätsinitiativen zu Sternfahrten nach Strasbourg und Brüssel, um über die europäischen Institutionen Druck auf die Türkei auszuüben. Die »Initiative ibertad« organisiert in verschiedenen Städten eine Veranstaltungsreihe. Dort wird eine Ausstellung über die Isolationsgefängnisse in der Türkei eröffnet und der Film »Boran« präsentiert. Unter dem Motto »Solidarität mit den kämpfenden Gefangenen in der Türkei - Zerschlagt die Isolationstrakte weltweit« veranstaltet die Berliner Gruppe »mücadele« gemeinsam mit der »AG für Internationale Solidarität Wolfsburg« am 24. November in Wolfsburg eine Informations- und Solidaritätsveranstaltung. Daran wird neben von Repression betroffenen türkischen Linken mit Ilse Schwipper eine ehemalige Gefangene aus der BRD teilnehmen, die mehr als sechs Jahre in Isolationshaft saß. Peter Nowak *** Weitere Informationen: www.libertad.de |