Tagesspiegel, 18.11.2000

Staudämme

Risiko für Mensch und Natur

Weltbank-Studie kritisiert Umweltschäden, Unfallgefahr und soziale Folgen

beb

Staudämme haben in 140 Ländern der Erde die Energieversorgung und Landwirtschaft verbessert. Das musste allerdings oft mit brutaler sozialer Härte und schweren Umweltschäden bezahlt werden. Zu diesem Schluss kam der erste Report der "Weltkommission für Staudämme", der jetzt in London vorgestellt wurde. Der Report ist das Ergebnis einer dreijährigen Forschungsarbeit eines unabhängigen internationalen Gremiums, das Vertreter der Dammbauer, der Regierungen und der Umweltschutzorganisationen versammelt. Die Studie wurde von der Weltbank in Auftrag gegeben. Sie kritisiert die "mangelhafte Planung" vieler Staudämme und ihre verheerenden Folgen. "Der negativste Aspekt ist der weit verbreitete und systematische Fehler, die sozialen Folgen nicht zu kalkulieren," erklärte Achim Steiner, der Generalsekretär der Organisation. "Dadurch leiden nicht nur die Bewohner, die wegen der Projekte ihre Heimat verlieren, sondern auch die Menschen in der Umgebung der Dämme. Wir schätzen, dass 40-80 Millionen Menschen weltweit aus den Staudammgebieten vertrieben wurden."

Darüber hinaus beanstandet die Organisation, dass viele Staudämme unwirtschaftlich betrieben werden, unfallträchtig sind und durch die Zerstörung von Tier- und Pflanzenwelten schwere Schäden an Biotopen verursacht hätten. Die Kommission empfiehlt, dass große Staudammprojekte nur nach strengen Richtlinien verwirklicht werden. Vor allem müssten dabei die Rechte und Risiken der dort lebenden Menschen berücksichtigt werden. Darüber hinaus stellt der Report die Finanzierung umstrittener Bauvorhaben durch die Weltbank in Frage. Dazu gehören drei chinesische Projekte, die Stauung des Narmada in Indien, der Ilisu-Damm in der Türkei und Planungen in Uganda, Chile und auf den Philippinen.

Laut dem Report besitzen China und Indien die Hälfte aller Staudämme der Welt. Wie wichtig die Wasserkraft international immer noch ist, zeigt die Tatsache, dass 24 Länder ihre Energie zu 90 Prozent aus der Wasserkraft beziehen. International werden 19 Prozent der Energie aus Wasserkraftwerken gewonnen. Staudämme sichern 15 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion und dienen in 70 Ländern zur Kontrolle von Überschwemmungen. Weltweit wurde die Hälfte der Staudämme zur Bewässerung gebaut.