Die Welt, 20.11.2000 Europäische Union öffnet dem Balkan die Tür EU-Außenminister skizzieren bereits übernächste Erweiterungsrunde, bevor die erste begonnen hat Von Nikolaus Blome Brüssel - Auch alle Balkanstaaten werden als Mitglied zur Europäischen Union gehören. Das wollen die EU-Außenminister am Montag in Brüssel offiziell erklären: Sie werden die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens sowie Albanien als "potenzielle Beitrittskandidaten" bezeichnen - da ist der Unterschied zur Türkei nur noch diplomatisch-feinsinnig, die offiziell als "Kandidat" firmiert, mit der aber nicht konkret verhandelt wird. Damit skizzieren die Außenminister die übernächste Erweiterungsrunde der EU schon vor, noch ehe die erste begonnen hat. "Die EU bietet die Perspektive des Beitritts an", erklärt der Hohe Beauftragte für die EU-Außenpolitik, Javier Solana. "Aber sie fordert auch etwas: die Entwicklung regionaler Beziehungen der Staaten dort untereinander und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit". In die EU wollten fast alle Balkanstaaten am liebsten morgen, aber zuerst müssten sie Ordnung in ihre Beziehungen zueinander bringen. Das werde die EU mit Wirtschaftshilfe flankieren. Immerhin haben sich die 15 EU-Staaten jetzt auf eine konkrete Summe geeinigt: Rund neun Milliarden Mark sollen bis 2006 in die Region fließen. "Das war ein übles Gerangel", klagt ein hoher EU-Diplomat trotzdem. Die südlichen EU-Staaten wollten aus einer Gesamtsumme von gut 21 Milliarden Mark möglichst viel für die Mittelmeerpolitik herausschlagen; die Nordlichter der Union forderten größeren Einsatz für den Balkan. Am Ende ließen beide Seiten Federn; nun muss die EU-Kommission zeigen, ob sie aus den Milliarden rasch und sinnvoll Projekte und sichtbare Erfolge machen kann. "Wer schnell hilft, hilft doppelt", ist der Standardspruch des internatonalen Balkanbeauftragten Hombach, der bislang an der Arbeit der Brüsseler Eurokraten einiges auszusetzen fand. Nachdem das heikle Geldproblem auf Brüsseler Diplomatenebene gerade noch rechtzeitig gelöst wurde, können die EU-Außenminister am Montag sich den großen Perspektiven widmen. Sie wollen vor allem ein Zeichen für den "Balkangipfel" am kommenden Freitag in Zagreb setzen. Dort kommen die Staats- und Regierungschefs der EU mit ihren Amtskollegen aus der gesamten Region zusammen. Wichtigstes Vorhaben: den neuen Präsidenten Jugoslawiens, Vojislav Kostunica, in ihren Kreis aufzunehmen und ihm den Rücken zu stärken. Die EU-Staaten wollen zugleich auf ihr Versprechen aus dem Kosovo-Krieg zurückkommen: Damals wurde friedliebenden und kooperationswilligen Staaten für die Zeit nach der Krise finanzielle und politische Hilfe in Aussicht gestellt - und ein späterer Beitritt in die EU. Den ersten technischen Schritt dazu hat bislang nur Mazedonien geschafft: Ein so genanntes Assoziierungsabkommen mit der EU ist nahezu unterschriftsreif. Mit Kroatien könnten in Zagreb demonstrativ die Verhandlungen dafür begonnen werden. Die EU hatte die Annäherung an den ehemaligen Teil Jugoslawiens in dem Moment begonnen, als ein westlich orientierter Nachfolger des autokratischen Herrschers Tudjman ins Amt kam. Mit Albanien sind die Vorarbeiten für Verhandlungen über ein Abkommen im Gange - auch wenn in Brüssel das Land als über alle Maßen rückständig gilt. Die Abkommen sollen vor allem den Handel zwischen der EU und der Region wachsen lassen und letztlich in eine Freihandelszone münden. Brüssel hat bereits zahlreiche einseitige Zollvergünstigungen für Produkte einiger Balkanländer gewährt. Vorerst knüpft die EU keine Bedingungen an die Hilfen für Jugoslawien. Auch in Zagreb wird es bestenfalls hinter den Kulissen um eine Auslieferung von Ex-Staatschef Milosevic an das Haager Kriegsverbrechertribunal gehen. Kostunica habe immer noch nicht die volle Kontrolle über das Land, heißt es im Umfeld von "EU-Außenminister" Solana. Erst nach den Parlamentswahlen in Serbien sei seine Position vielleicht so belastbar, dass der Westen eine Auslieferung auch öffentlich verlangen könne.
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