Frankfurter Rundschau, 21.11.2000 Deutschland stellt 12 000 Mann für die Landstreitkräfte der EU Außen- und Verteidigungsminister umreißen Umfang der Eingreiftruppe / Deutscher General wird Chef des Militärstabes Von Martin Winter Auf dem Weg zu einer "schnellen Eingreiftruppe" der Europäischen Union haben die Staaten der EU nun ihre Beiträge vorgelegt. Doch wie viele Soldaten wirklich erforderlich sind, ist noch ungewiss. BRÜSSEL, 20. November. Auf ihrer "Truppengeberkonferenz" haben die Verteidigungsminister der 15 EU-Mitgliedstaaten am Montag in Brüssel mitgeteilt, was sie zur Verfügung zu stellen bereit seien. Allerdings wurden nur Zahlen für die Landstreitkräfte bekannt. In der Aufstellung des "Streitkräftezieles" fehlen noch genaue Personalangaben für Luftwaffe und Marine. Was die Landstreitkräfte angeht, will Deutschland mit 12 000 Soldaten pro Einsatz teilnehmen, Frankreich ebenso, Großbritannien mit 8000, Italien mit 13 500, Niederlande mit 5000, Spanien mit 9000. Dänemark wird sich als einziges Land vorerst nicht beteiligen. Die versprochenen Landstreitkräfte summieren sich auf 60 000 Soldaten. Diese Zahl entspricht der vom EU-Gipfel in Helsinki im Dezember 1999 beschlossenen Stärke, mit der die Eingreiftruppe maximal in einen Einsatz gehen soll. In der Tat aber können es in der Praxis bis zu 100 000 werden, weil die Militärs bei ihren Planungen die Besatzungen von Kampfflugzeugen oder Kampfschiffen nicht angeben. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) begründete dies damit, dass in Helsinki über die Zahl der "Landstreitkräfte" beschlossen worden sei, an Luft- wie Seestreitkräften kämen für Deutschland noch etwa 6000 Mann hinzu. Im Helsinki-Text steht allerdings, dass die EU spätestens im Jahre 2003 in der Lage sein wolle, "innerhalb von 60 Tagen Streitkräfte im Umfang von 50 000 bis 60 000 Personen" in eine Krisenregion zu verlegen. Die Verteidigungsminister gehen nach Scharpings Worten davon aus, dass man schon im kommenden Jahr die notwendigen Verträge mit der Nato schließen kann, deren Strukturen und Einrichtungen die europäische Truppe nutzen will. Im Jahre 2003 könnten dann schon Einsätze auf "unterem Level" stattfinden. Ob man allerdings Ende 2003 wie geplant schon die volle Einsatzfähigkeit haben wird, daran zweifelte nicht nur Scharping. Der vom Militärstab der EU erarbeitete Anforderungskatalog weist erhebliche Mängel an Material und Fähigkeiten bei der EU-Truppe auf. So klaffen große Lücken in der luft- und weltraumgestützten Aufklärung, bei der Betankung in der Luft oder beim Lufttransport. Befürchtungen, die notwendigen Modernisierungen und Neuanschaffungen könnten zusätzliche Steuermittel erfordern, traten sowohl Scharping als auch Außenminister Joschka Fischer (Grüne) entgegen. Mit dem, was die Verteidigungsminister bislang erarbeitet haben, wird sich auch der EU-Gipfel am 7. Dezember in Nizza beschäftigen. Der Union stehen noch schwierige Verhandlungen mit der Nato bevor. Außerdem sind institutionelle Fragen, etwa nach dem Gewicht des Militärausschusses im Vergleich zum (zivilen) Politischen und Sicherheitsausschuss der EU, noch nicht geklärt. Im Gerangel um wichtige Posten in der neuen militärischen Struktur der EU ist es zu einem Zerwürfnis zwischen Frankreich und Deutschland gekommen. Gegen die Franzosen setzte Berlin den deutschen Generalleutnant Rainer Schuwirth als neuen Chef des EU-Militärstabes durch. Frankreich will jetzt dafür mit dem Vorsitz im Militärausschuss entschädigt werden. Am heutigen Dienstag werden die EU-Beitrittskandidaten mitteilen, ob und welche Beiträge sie zur Schnellen Eingreiftruppe leisten wollen.
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