Die Presse (Wien), 22.11.2000 Griechenland: Der tiefe Fall des Theodoros Pangalos Premier Simitis entließ seinen streitbaren Kulturminister wegen Unstimmigkeiten in der Türkei-Politik. Von unserem Korrespondenten CHRISTIAN GONSA ATHEN Dem sonst so wortgewaltigen Theodoros Pangalos verschlug es die Sprache: Er wollte seine völlig unerwartete Entlassung als Kulturminister mit keinem Wort kommentieren. Dabei war gerade er - damals noch als Außenminister - vor Jahren mit der wenig diplomatischen Äußerung bekannt geworden: Deutschland sei wie ein "Gigant mit dem Gehirn eines Kleinkindes". Griechenlands sozialistischem Ministerpräsidenten Kostas Simitis war zuletzt der Geduldsfaden gerissen. Am Wochenende hatte er eine Zeitung zu Gesicht bekommen, in der der füllige Kulturminister seine Türkei-Politik kritisierte und Außenminister Giorgos Papandreou persönlich attackierte. Wenig später war Pangalos dann auch schon sein Amt los - bereits zum zweitenmal in zwei Jahren als Minister gefeuert. Pangalos habe nicht beachtet, was sich von selbst verstehe, sagte Simitis: Wer als Minister mit der Regierungspolitik nicht einverstanden sei, müsse gehen. Außenminister Papandreou mangle es an rudimentären Geschichtskenntnissen, hatte Pangalos oberlehrerhaft erklärt. Im Visier hatte Pangalos dabei die griechisch-türkische Entspannungspolitik, die seiner Meinung nach an Verrat von griechischen Interessen grenze. Sturz über Öcalan-Affäre Pangalos war bis zur Affäre Öcalan selbst Außenminister gewesen. Kurdenführer Abdullah Öcalan war im Frühjahr 1999 heimlich in Griechenland eingereist, und hatte es mit dem Wissen höchster Regierungsmitglieder ebenso heimlich nach Kenia geschafft, um von dort von den Türken gekidnappt zu werden. Als die Affäre aufflog, mußte Pangalos zurücktreten, das hat er bis heute nicht verwunden. Papandreou war schon wiederholt von Pangalos kritisiert worden, bisher ohne Konsequenzen. Diesmal aber enthält seine Kritik eine neue innerparteiliche Botschaft. Simitis wurde im April 2000 zum zweitenmal wiedergewählt. Ob er noch einmal als Spitzenkandidat der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok), antritt, ist zweifelhaft. Seine möglichen Nachfolger - auch Pangalos - profilieren sich durch Kritik an seinen Entscheidungen, zum Beispiel einem neuen Arbeitszeitgesetz, gegen das auch die Gewerkschaften auftreten. |