junge Welt 22.11.2000 Gedemütigtes Israel Krieg gegen die Palästinenser eskaliert Israel führt einen gnadenlosen Krieg gegen die palästinensische Zivilbevölkerung. Doch wo sind die Klageweiber von den Menschenrechtsorganisationen, die diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Gegenstand ihrer Trauer machen würden? Wie lautstark waren sie doch, als die Russen in Tschetschenien Krieg führten. Und als Soldaten der jugoslawischen Bundesarmee und serbische Polizeieinheiten den sezessionistischen Aufstand der UCK bekämpften, gerieten sie dermaßen aus dem Häuschen, daß sie den NATO-Krieg gegen die jugoslawische Zivilbevölkerung als »Verhinderung eines Genozids« bejubelten. Israels Krieg gegen die Palästinenser ist vor allem ein Krieg gegen Jugendliche und Kinder. Ein israelischer Scharfschütze erzählte im Interview, daß sie Befehl hätten, gezielt auf den Kopf zu schießen. Die Frage, ob dies auch für Kinder gelte, verneinte er. Bei Personen unter zwölf Jahren sei dies nicht gestattet. Mit dem Erreichen des zwölften Lebensjahres hat die Kindheit palästinensischer Jungen und Mädchen zu Ende zu gehen. Das sagt einiges über die Lebenserwartung aus, die Israel den Palästinensern zubilligt. So wird auch erklärbar, warum es gerade Kinder und Jugendliche sind, die vom Haß auf die Besetzungsmacht auf die Straße getrieben werden, daß sie lieber sterben wollen, als unter diesen menschenunwürdigen Bedingungen zu leben. Die palästinensische Selbstbestimmung ist kein Abstraktum, kein nationalistischer Mythos, sie ist die Einforderung eines selbstbestimmten Lebens. Das bedeutet nicht, daß ein solches Leben unter Arafats korrupten Behörden möglich geworden wäre. Selbst- oder Fremdbestimmung ist keine nationale Frage. Doch wird einer Nation die Selbstbestimmung verweigert, fehlt ihren Angehörigen jegliche Voraussetzung zur Einforderung demokratischer und sozialer Rechte. Wer unter Bedingungen des permanenten Kriegsrechtes leben muß, wer eine andere Nation als Führungsnation anzuerkennen hat, dem wird - als ein an die eigene Nation gebundenes und auch als unabhängiges Individuum - die Zukunft vorenthalten. Das ist die Antwort auf die Frage, warum sich die nachwachsende Palästinenser-Generation zum Aufstand der Kinder entschlossen hat. Ganz bestimmt nicht deshalb, weil Scharon den Tempelberg erklommen hatte. Der Nahost-Friedensprozeß ist gescheitert, weil den dritten Weg zwischen nationaler Unterdrückung und nationaler Selbstbestimmung noch niemand gefunden hat. Eine dem Staat Israel untergeordnete palästinensische Staatlichkeit kann es nicht geben. Solange die Israelis nicht bereit sind, die Palästinenser als Gleichberechtigte anzuerkennen, solange werden sie weiter mit der für sie demütigenden Situation konfrontiert sein, von Kindern herausgefordert und moralisch bloßgestellt zu werden. Werner Pirker
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