Frankfurter Rundschau, 22.11.2000 Ägypten ruft seinen Botschafter aus Israel zurück Beziehungen Israels zu arabischen Nachbarn in der Krise / Weitere Tote nach dem Raketenangriff in Gaza-City Die Eskalation der Gewalt hat die Beziehungen Israels zu seinen arabischen Nachbarn in eine tiefe Krise gestürzt. Ägypten rief am Dienstag seinen Botschafter zurück, Jordanien verurteilte die israelische Vergeltungsaktion, bei der am Montag in Gaza-City zwei palästinensische Polizisten getötet und mehr als 60 Menschen verletzt wurden, darunter auch Kinder. Danach kamen bei neuen Unruhen weitere sechs Palästinenser ums Leben. GAZA/KAIRO, 21. November (ap). Die Raketenangriffe wurden von Israel als Vergeltung für einen Anschlag auf einen Schulbus im Gazastreifen bezeichnet, bei dem zwei Israelis getötet und neun weitere schwer verletzt wurden. Der palästinensische Chefunterhändler Ahmed Kreia bezeichnete den Friedensprozess als klinisch tot. Die Friedensgespräche könnten nur unter internationaler Vermittlung wieder aufgenommen werden. Die USA seien als Vermittler nicht geeignet, da sie eindeutig auf Seiten Israels stünden. Nach den Angriffen verschob Arafat eine für Dienstag geplante Reise nach Kairo. Der ägyptische Präsident Husni Mubarak wies den Botschafter in Israel, Mohamed Bassiuni, an, sofort nach Kairo zu kommen, wie die amtliche Nachrichtenagentur MENA meldete. Außenminister Amr Mussa begründete die Entscheidung mit "der Aggression Israels gegen die Palästinenser und den bewussten Einsatz von Gewalt gegen das palästinensische Volk". Bisher hat sich Ägypten unter den arabischen Staaten stets für eine mäßigende Haltung gegenüber Israel eingesetzt. Zuletzt war Bassiuni 1982 nach der israelischen Invasion in Libanon kurzfristig aus Tel Aviv zurückgerufen worden. Ägypten und Jordanien sind die einzigen arabischen Nachbarn, die diplomatische Beziehungen zu Israel unterhalten. Jordanien verurteile den Angriff, betonte der Vertreter Ammans in Gaza, Dschumaa Abadi. Saudi-Arabien und Oman begrüßten den Schritt Kairos. Mussa betonte jedoch, der Abzug des Botschafters bedeute nicht den Abbruch der Beziehungen. Der israelische Botschafter in Ägypten wollte seine Tätigkeit fortsetzen, wie die Botschaft in Kairo mitteilte. In der Nacht zum Dienstag töteten israelische Soldaten bei Zusammenstößen drei Palästinenser: Am Grenzübergang Kisufim wurde ein Mann erschossen, der nach Militärangaben einen Anschlag verüben wollte. In Newe Dekalim eröffneten israelische Soldaten das Feuer auf vier verdächtige Männer und töteten zwei von ihnen. Bei der jüdischen Siedlung Gusch Katif schossen palästinensische Polizisten nach Militärangaben auf israelische Posten. Diese erwiderten das Feuer und töteten einen Angreifer. Wenige Stunden später beschossen Palästinenser einen israelischen Autofahrer und verletzten ihn lebensgefährlich. Unterdessen erlag ein palästinensischer Arbeiter, der vergangene Woche an einer Straßensperre in seinem Auto angeschossen wurde, seinen Verletzungen. Damit erhöhte sich die Zahl der Todesopfer seit Ende September auf 246.
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