Neue Zürcher Zeitung (CH), 23.11.2000 Gemeinsame EU-Asyl- und Migrationspolitik Kommission befürwortet kontrollierte Einwanderung lts. Brüssel, 22. November Mit zwei Mitteilungen hat die EU-Kommission ihre durch die Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs vor Jahresfrist in Tampere legitimierte Ambition unterstrichen, durch Annäherung und Harmonisierung der nationalen Gesetzgebungen zu einer gemeinsamen Asyl- und Immigrationspolitik der EU zu kommen. Die Kommission verkennt die Unterschiede zwischen rechtlichen und politischen Aspekten der Asyl- und der Immigrationsprobleme nicht. In der Praxis und in der öffentlichen Diskussion liessen sich aber diese beiden Komponenten der Migrationspolitik kaum mehr trennen, weshalb die gleichzeitige Präsentation der beiden Berichte gerechtfertigt sei. Die Kommission möchte damit eine breite Diskussion anstossen, die sich in einem Jahr am Europäischen Rat von Brüssel in konkreten Schlussfolgerungen niederschlagen sollte. An den Anfang ihres Grundsatzpapiers zur Migrationsthematik stellt die Kommission die These, dass die Politik der Europäer in den vergangenen dreissig Jahren zur Verhinderung derEinwanderung gescheitert und im Lichte der wirtschaftlichen und demographischen Entwicklungen auch nicht mehr sinnvoll sei. Die Abweisungspolitik im Zeichen der «Null-Einwanderung» habe die Zuwanderung aus Drittländernnicht verhindert, dafür aber den illegalen Grenzübertritten, der Schwarzarbeit und dem Schlepperunwesen Vorschub geleistet. Gleichzeitig führe die demographisch bedingte Verknappung von qualifizierten und ungelernten Arbeitskräften verschiedene europäische Regierungen zu eigentlichen Rekrutierungskampagnen in Drittländern. Aus diesen Erkenntnissen leitet die Kommission die Notwendigkeit einer aktiven EU-Migrationspolitik ab. Diese soll die Migrationsflüsse nicht mehr künstlich verbauen, sondern im Interesse der Ziel- und Herkunftsländer regulieren. Eine kontrollierte Migrationspolitik setze gemeinsam erarbeitete Aufnahmequoten für die Gemeinschaft als Ganzes sowie einen einheitlichen rechtlichen Rahmen für die Regelung der Arbeits- und Lebensbedingungen der legal Zugewanderten voraus. Zum Gelingen einer auch innenpolitisch akzeptierten Einwanderungspolitik gehörten umfassende Integrationsprogramme in den Zielländern sowie eine den Migrationsdruck abschwächende Entwicklungszusammenarbeit der EU mit den Herkunftsländern. Auch im Asylbereich stellt die Kommission ein einheitliches Vorgehen zur Debatte und nennt als mögliche Optionen eine auf Verfahren begrenzte Annäherung der 15 Asylpolitiken, ein verstärkt gemeinsames Vorgehen oder aber einen uniformen EU-Flüchtlingsstatus. Auf dem Weg zu einem gemeinsamen europäischen Asylsystem, wie es der Europäische Rat in Tampere vorgegeben hatte, präsentierte die Kommission bereits einen Richtlinienentwurf für minimale gemeinsame Verfahrensgrundsätze bei der Gewährung und Aberkennung des Flüchtlingsstatus. Anfang 2001 will sie zudem Vorschläge für einheitliche Aufnahmebedingungen und für die Zuweisung der einzelnen Asylverfahren an die Mitgliedstaaten unterbreiten. Ohne der Diskussion über die materielle Harmonisierung der Asylpolitik in der EU vorzugreifen, können nach Meinung der Kommission die bereits erwogenen Angleichungen zumindest dem «Asyltourismus» von Flüchtlingen auf der Suche nach den günstigsten Aufnahmebedingungen entgegenwirken.
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