Frankfurter Rundschau, 24.11.2000 Mutmaßliche Mörder des kleinen Joseph verhaftet Rechte sollen Jungen ertränkt haben / Kritik an Polizei Von Bernhard Honnigfort Die Polizei hat drei mutmaßliche Rechtsextremisten verhaftet, die im Verdacht stehen, in einem Freibad im ostsächsischen Sebnitz einen kleinen Jungen misshandelt und ertränkt zu haben. In dem Todesfall, der mehr als drei Jahre her ist, sehen Kriminologen "Versäumnisse" der Ermittler. DRESDEN, 23. November. Der Dresdner Oberstaatsanwalt Claus Bogner sagte am Donnerstag der Frankfurter Rundschau, eine Frau und zwei Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren seien am 21. und 22. November in Sachsen und in Niedersachen wegen dringenden Mordverdachts an dem sechsjährigen Joseph Abdulla in Haft genommen worden. Der Sohn eines irakischen Apothekers war am 13. Juni 1997 im Dr.-Petzold-Bad in Sebnitz gestorben. Die Polizei ging zunächst von einem Badeunfall aus. Die Staatsanwaltschaft Pirna schloss die Ermittlungen 1998 ab. Nach Recherchen der Eltern Saad Abdulla und Renate Kantelberg starb ihr Sohn jedoch durch einen abscheulichen Mord. "Mein Junge ist nicht ertrunken. Er wurde von Rechten umgebracht", sagte Renate Kantelberg der FR. Die Eltern, die seit vier Jahren in Sebnitz leben und sich von Rechten bedroht fühlen, erklärten, sie hätten nie an einen Badeunfall geglaubt. Die Eltern sammelten nach eigenen Angaben ungefähr 30 Zeugenaussagen. Nach einigen Schilderungen hatten Rechtsextreme den Jungen geschlagen, ihm mit Gewalt ein Beruhigungsmittel eingeflößt und ihn mit einem Elektroschocker gequält. Danach sei der Junge im Schwimmbecken ertränkt worden. Badegäste und Aufsichtspersonen hätten die Gewalttat gesehen ohne einzuschreiten, heißt es in den Schilderungen, die der FR vorliegen. Es gibt auch ein Video, in dem ein 14-jähriges Mädchen der Mutter des toten Jungen schildert, wie Joseph misshandelt wurde. Der FR bestätigte das Mädchen, das aus Angst anonym bleiben möchte, diese Aussagen. Nach einer Exhumierung und zweiten Obduktion des Kindes am 22. November 1999 fanden Gerichtsmediziner der Universität Gießen in einer Blutprobe Reststoffe von Methylphenidat, das Wirkstoff des Beruhigungsmittels Ritalin ist. Die Gutachter empfahlen neue Ermittlungen. Im Sommer diesen Jahres riet auch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen, den Fall neu aufzurollen. In einer Analyse von Zeugenaussagen, die ihnen die Eltern zur Bewertung überlassen hatten, kamen die Gutachter zu dem Ergebnis, die frühere Beweislage sei "überholt". Bei den früheren Ermittlungen habe es "Versäumnisse" gegeben, die "mit Desinteresse oder Unprofessionalität erklärt werden können". Das sächsische Innenministerium will nun laut Agenturen prüfen, ob die Kriminalpolizei Pirna nachlässig gearbeitet hat. |