Die Presse (A), 24.11.2000 Griechenland sagt großen EU-Ländern den Kampf an Zypern und Institutionenreform: Griechenland steigt vor dem EU-Gipfel in Nizza auf die Barrikaden. Von unserem Korrespondenten CHRISTIAN GONSA ATHEN. Zwei Wochen vor dem EU-Gipfel in Nizza nimmt der Aufstand der Kleinen innerhalb der EU langsam Formen an: Auch Griechenland macht nun massiv für die Interessen der kleinen EU-Staaten bei der EU-Reform mobil. Wie Österreich besteht Griechenland auf einem EU-Kommissar pro Land und behält sich ein Vetorecht in der Außenpolitik und bei der Schiffahrt vor. Außenminister Giorgos Papandreou gab diese Woche eine ungewohnt scharfe Erklärung vor der versammelten Presse ab: "Wir werden nicht zulassen, daß die Neuverteilung der Gewichte ausschließlich zugunsten der Großen erfolgt. Wir werden keinen Blankoscheck für Veränderungen ausstellen", sagte er mit Blick auf die Regierungskonferenz. Eigener Kommissar hilft An erster Stelle der Agenda steht auch im Mittelmeerland das Bestehen auf einem nationalen Vertreter in der EU-Kommission. Wie nützlich ein Kommissar in Brüssel ist, zeigte sich Anfang November bei der Erstellung des berühmten "Fahrplans", der Beitrittspartnerschaft für die Türkei. Griechenlands EU-Kommissarin Anna Diamantopoulou reklamierte laut griechischer Presse noch kurz vor der Absegnung des Papiers durch die Kommission zwei Passagen hinein, die ausdrücklich Zypern und, indirekt, die Grenzziehung in der Ägäis thematisieren. Nun fordert die EU von der Türkei in dem Entwurf beispielsweise explizit "entscheidende Unterstützung" bei der Suche nach einer Lösung der Zypernfrage in den Zypernverhandlungen. Dieses "Junktim" ist für die Türkei einer der Gründe, warum sie das Papier nicht akzeptieren will und mit einem Ende der EU-Annäherung droht; Griechenland aber ist zufrieden mit dem Erfolg seiner Strategie, den Zypernkonflikt und die griechisch-türkischen Grenzprobleme zu "europäisieren". Nebenbei betreibt man aber auch Blockadepolitik: Die etwa 50 Millionen Euro (688 Mill. Schilling), die die EU der Türkei jährlich gewähren will, sollen erst nach der türkischen Unterschrift unter den Fahrplan freigegeben werden. Für Giorgos Papandreou jedenfalls enthält er nur "Selbstverständliches". Alle angeführten Punkte habe die Türkei in Helsinki unterschrieben, Griechenland bestehe lediglich auf einer Bekräftigung. Veto bei Schiffahrt Weitere Vorschläge: Im Ministerrat wünscht sich Griechenland eine "doppelte Mehrheit". Auf der einen Seite müßte für die Annahme eines Vorschlags die Mehrheit der Staaten stimmen, diese müßten aber auch eine Mehrheit der EU-Bevölkerung repräsentieren. Prinzipiell ist Griechenland für eine Ausweitung der qualifizierten Mehrheit - außer in zwei Bereichen: Bei der Außenpolitik und der Schiffahrt besteht es auf Einstimmigkeit. |