Süddeutsche Zeitung, 24.11.2000 Initiativen für Ende der Gewalt im Nahen Osten Arafat will neue Friedensgespräche Moskau: Israel soll auf Vergeltung verzichten / US-Außenministerin schlägt Pufferzonen in Krisengebieten vor / Von Thorsten Schmitz Jerusalem - Einen Tag nach dem Bombenanschlag in Israel haben die USA und Russland ihre Bemühungen zur Beilegung der Unruhen intensiviert. Russland forderte Israel auf, von Vergeltungsschlägen abzusehen. US-Außenministerin Madeleine Albright schlug Pufferzonen vor und berichtete, Palästinenserpräsident Jassir Arafat sei zur Wiederaufnahme von Friedensgesprächen bereit. Arafat wird heute mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau zusammentreffen. Im Westjordanland und in Gaza kam es zu heftigen Gefechten. Ein israelischer Soldat sowie zwei Palästinenser wurden getötet. In einer Erklärung des russischen Außenministeriums wird Israel aufgefordert, "Zurückhaltung" zu üben und den Bombenanschlag auf einen Bus von Mittwochabend nicht mit einem Gegenangriff zu vergelten. Zudem hieß es, Arafat werde am heutigen Freitag zu einem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau erwartet und bis Sonntag bleiben. Arafat habe kurzfristig um das Treffen gebeten. Der Palästinenserpräsident hatte Moskau bereits am Montag um Vermittlung in der Nahost-Krise nachgesucht. Arafat hat sich in jüngster Zeit mehrfach kritisch über die seiner Ansicht nach einseitige Parteinahme der USA für Israel geäußert. US-Außenministerin Madeleine Albright forderte in der Nacht zu Donnerstag beide Seiten zur Einstellung der Gewalt auf. In einem Telefongespräch mit ihrem israelischen Kollegen Schlomo Ben-Ami überbrachte die Außenministerin eine Botschaft Arafats, wonach dieser sie in einer persönlichen Mitteilung habe wissen lassen, er sei an einer Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit Israel interessiert. Albright schlug nach Angaben des israelischen Militärrundfunks zudem eine Pufferzone in den Palästinensergebieten vor. "Mechanismus für Waffenruhe Ben-Ami erklärte, es könnte sein, dass Arafat gewillt sei, die "Spirale der Gewalt zu durchbrechen". Albright fügte hinzu, sie werde mit Barak und Arafat Gespräche führen, einen "Mechanismus zu kreieren", wie die von beiden Seiten vereinbarte Waffenruhe zu erlangen sei. Albright machte aber keine näheren Angaben. Kabinettsmitglied Schimon Peres sagte, Israel habe die Hoffnung auf eine Aussöhnung mit den Palästinensern "noch nicht aufgegeben". Wenn beide an den Verhandlungstisch zurückkehrten, "können beide nur gewinnen". Der Sprecher Arafats, Nabil Schaath, bestätigte in Kairo, Arafat habe Albright sein Interesse an einer Wiederaufnahme der Gespräche mitgeteilt. Er wies die Erklärungen des israelischen Premierministers Ehud Barak zurück, die Palästinensische Autonomiebehörde trage für den Bombenanschlag in Chadera die Verantwortung. Dabei waren zwei Israelis getötet und über 60 zum Teil schwer verletzt worden. Unterdessen haben sich am Donnerstag zwei Terrorgruppen zu dem Anschlag in Chadera bekannt: der militärische Arm der Hamas sowie eine bislang unbekannte Terrorgruppe mit dem Namen "Islamische Revolution für die Befreiung des palästinensischen Volkes". Das israelische Kabinett wollte am Abend seine Beratungen über eine mögliche Reaktion auf den Bombenanschlag fortsetzen. Ein Sprecher der radikal-islamischen Hamas erklärte, falls Israel den Bombenanschlag vergelte, werde Hamas das "Tor zur Hölle" öffnen. Am Morgen hatte Barak bei einem Besuch der Verwundeten im Krankenhaus von Chadera gesagt, wer Israel gegenüber Gewalt einsetze, werde "scheitern". Israels Polizeichef Jehuda Wilk erklärte, Israel sei "verletzlicher" denn je und könne Bombenanschläge wie den in Chadera nicht völlig verhindern. Als Grund nannte Wilk ein Ende der Zusammenarbeit israelischer und palästinensischer Sicherheitskräfte seit Ausbruch der Unruhen. Unterdessen kam es auch am Donnerstag zu schweren Gefechten und gewalttätigen Auseinandersetzungen in Gaza und im Westjordanland. Nach palästinensischen Angaben sind am Morgen bei einem Handgranaten-Angriff mutmaßlicher palästinensischer Extremisten mindestens ein israelischer Offizier getötet und zwei Palästinenser verletzt worden. Nach palästinensischen Angaben wurde am Donnerstag ein zehnjähriger Junge im Norden von Gaza von israelischen Soldaten erschossen. Nahe der Westbank-Stadt Nablus wurde ein ranghoher Hamas-Funktionär durch eine Autobombe getötet. Nach israelischen Angaben sei die Bombe vorzeitig explodiert, bevor sie in Israel detoniert sei. |