Neue Zürcher Zeitung (CH), 24.11.2000 Blutige Anschläge in Gaza und in Cisjordanien Israel sucht nach einer geeigneten Abwehrtaktik Als Reaktion auf die Explosion eines Sprengsatzes im Gazastreifen hat Israel die Schliessung der palästinensisch-israelischen Verbindungsbüros angeordnet. In Jerusalem hat unterdessen das Kabinett in einer Reaktion auf das Bus-Attentat in Hadera vom Vortag beschlossen, künftig vermehrt verdeckte Spezialeinheiten einzusetzen. (ap) Die israelische Regierung hat am Donnerstag die faktische Schliessung der zehn gemeinsamen Verbindungsbüros mit den Palästinensernangeordnet. Die dort tätigen Palästinenser wurden angewiesen, die Büros im Westjordanland und im Gazastreifen zu verlassen. Die israelische Regierung zog damit die Konsequenzen aus dem Anschlag auf ein Verbindungsbüro im Gazastreifen, bei dem am Donnerstag ein israelischer Vertreter ums Leben gekommen war. Bei der Explosion wurde der Raum zerstört, in dem israelischeund palästinensische Unterhändler zu Fachgesprächen zusammengekommen waren. Der israelische Armeesprecher sagte, damit hätten die Palästinenser die letzten Reste dieser Zusammenarbeit weggesprengt. Explosion in Nablus In Cisjordanien kam am Donnerstag ein Aktivist der Hamas-Bewegung bei der Explosion seines Autos ums Leben. Er war während zweier Jahre in palästinensischer Haft gewesen, weil er Bomben für die Hamas-Bewegung gebaut haben soll. Während der israelischen Luftangriffe auf Ziele im Westjordanland Mitte Oktober war er freigekommen, später aber wieder verhaftet worden. Zum Zeitpunkt der Explosion in Nablushatte er einen viertägigen Hafturlaub. Bei Feuergefechten im Gazastreifen kam am Donnerstagein Palästinenser ums Leben, mindestens 12 wurden verletzt. Bei einer Explosion in Gaza wurdeein Israeli getötet. Am Grenzübergang Eres zwischen Israel und dem Gazastreifen erschossenpalästinensische Heckenschützen nach Armeeangaben einen Soldaten. (afp/dpa) Der Chef der palästinensischen Autonomiebehörde, Arafat, hat am Donnerstag den Anschlag auf den Bus in Hadera verurteilt und sich gegen jegliche terroristische Aktivität gewandt. Es gebe keinen Zweifel daran, dass er solche Aktionen ablehne, sagte Arafat in Kairo. Die Hamas-Bewegung hat am Donnerstag die Verantwortung für den Anschlag übernommen, bei demam Mittwochabend in Hadera 2 Personen umgekommen und über 50 verletzt worden waren.gsz. Jerusalem, 23. November Sondersitzung des Kabinetts Die israelische Regierung hat angeblich eine veränderte Taktik in der Auseinandersetzung mit den Palästinensern beschlossen. Nach dem Attentat in der israelischen Stadt Hadera, bei der 2Leute getötet und über 60 verwundet wurden, berief Ministerpräsident Barak am Mittwochabendeine mehrstündige Sondersitzung des Sicherheitskabinetts ein, die nach einer Unterbrechung spätnachts am nächsten Morgen fortgesetzt wurde.Nach der Sitzung berichtete ein Radiokorrespondent unter Berufung auf gut unterrichtete Quellen, dass die Minister übereingekommen seien, den Ansatz zur Beendigung oder Niederschlagung der palästinensischen Gewalt zu modifizieren. Inoffizielle Berichte Da sich die israelischen Helikopterangriffe gegen palästinensische Quartiere und Stützpunkte in der Bekämpfung der Gewalt nicht bewährten und sie überdies Israel in den internationalen Medien in ein sehr schlechtes Bild rückten - dass bei den meisten Angriffen bloss materielle Schäden entstehen, wird meist weniger registriert -, soll die Taktik geändert werden. Angeblich wurde beschlossen, dass verdeckte Spezialeinheiten der Armee fortan gezielte Operationen gegen Drahtzieher des Aufstandes unternehmen würden. Bei solchen Operationen infiltrieren sich als Araber verkleidete Soldaten in palästinensische Ortschaften oder mischen sich unter die Menge von Demonstranten. (Mitglieder einer solcher Einheit wurden angeblich nach dem Lynchmord an zwei Soldaten in Ramallah der Rädelsführer habhaft.) Ausserdem sollen verschärfte wirtschaftliche Massnahmen gegen die autonomen Gebiete zum Einsatz gebracht werden. Bei der Kabinettssitzung sollen allerdings, so der Gewährsmann, keine operativen Beschlüsse getroffen worden sein. Möglicherweise werde Israel in der unmittelbaren Zukunft auch noch gar keine spezifischen Massnahmen unternehmen. Angesichts der lautstarken Proteste aus Teilen des Volkes fällt es Barak immer schwerer, sich einer schärferen Gangart gegenüber den Palästinensern zu widersetzen. In Oppositionskreisen herrscht die Meinung vor, dass es für die Armee ein Leichtes wäre, den Aufstand der Palästinenser niederzuschlagen, wenn sie bloss freie Hand erhielte. Da aber Barak die Hoffnung nach einemausgehandelten Frieden immer noch nicht aufgegeben habe, lege er der Armee Beschränkungenauf. Baraks ungebrochene Verhandlungsbereitschaft stellt auch ein Hindernis auf dem Weg zurBildung einer Notstandsregierung unter Mitwirkung des Likud dar. Oppositionsführer Ariel Sharon verlangt von Barak eine Abkehr von dem Prozess, der im Frühsommer in Camp David begann. Der Dialog mit den Palästinensern dürfeauch nach einem Abflauen der Gewalt nicht wieder aufgenommen werden, denn der jetzigen palästinensischen Führung könne nicht getraut werden. Barak weigert sich jedoch bis anhin, von seiner prinzipiell kompromissbereiten Politik abzurücken. In dieser Ansicht wird er von der linken Partei Meretz unterstützt. «Lasst die Armee siegen» Unter dem Slogan «Lasst die Armee siegen» fand am Mittwochabend in Jerusalem eine vornehmlich von Siedlerkreisen organisierte und besuchte Demonstration statt. Etwa zwanzigtausend Menschen nahmen an der Manifestation teil, fast ausschliesslich jugendliche Siedler im Alter zwischen 16 und 19. Prominentester Sprecher war Ariel Sharon. «Arafat ist kein Partner für den Frieden, sondern ein geriebener Feind, den man bekämpfen muss», rief er von der Bühne. Weitere Sprecher waren der erzkonservative Führer der Vaterlandspartei, Rehavam Zeevi, Nathan Sharansky von der Einwandererpartei und Yitzhak Levy von der nationalreligiösen Partei. |