Süddeutsche Zeitung, 28.11.2000 "Begrenzte Anzahl" PDS-Politiker plädiert für Kontingente bei der Zuwanderung Im Grundsatzprogramm der PDS werden bisher "offene Grenzen für alle gefordert. Jetzt hat der Parteivorstand beschlossen, Positionen zu einer Regelung der Zuwanderung zu erarbeiten. Obwohl am Ende Vorschläge für eine Begrenzung der Zuwanderung stehen dürften, fürchten Teile der PDS, dass in der Wählerschaft Fremdenfeindlichkeit schon dadurch stärker werden könnte, dass man überhaupt über das Thema redet. Der Landesvorsitzende der PDS in Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, widerspricht dieser Auffassung. Und er plädiert für Kontingentregelungen. Mit Holter, der auch Bauminister in der SPD-PDS-Regierungskoalition in Schwerin ist, sprach Nico Fried. SZ: Herr Holter, soll die PDS über eine Regelung der Zuwanderung debattieren oder nicht? Holter: Die Debatte muss geführt werden. Deutschland ist ein Einwanderungsland. SZ: Wie könnten Vorschläge zur Regelung der Zuwanderung Ihrer Meinung nach aussehen? Holter: Es gibt ja bereits Kontingentregelungen, zum Beispiel für jüdische Flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion. Kontingent heißt, dass es sich um eine begrenzte Anzahl handelt. Ich meine, dass es solche Regelungen auch bei anderen Zuwanderern geben könnte. SZ: Ihre Parteifreundin, die Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt fürchtet, eine solche Debatte könnte in Teilen der PDS-Wählerschaft "paranoide Fremdenangst" begünstigen. Holter: Es gehört zu einer sozialistischen Partei, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Ich kann aber nur davor warnen, dies zu einem Wahlkampfthema zu machen. SZ: Das wird sich kaum vermeiden lassen. Wie wird sich die PDS dann verhalten? Holter: Ich bin der Überzeugung, dass eine Partei wie die PDS grundsätzliche Positionen nicht aufgeben darf, zum Beispiel zum Asylrecht. Man muss den Wählern diese Positionen deutlich machen. Dazu gehört zum einen die Vermittlung von Wissen. Zum anderen brauchen wir aber auch eine Diskussion über moderne Werte in dieser Gesellschaft. Dazu zähle ich Toleranz, Humanität, Gerechtigkeit, Freiheit sowie Solidarität zwischen den Menschen und auch mit Menschen anderer Herkunft. SZ: Laut Umfragen haben einige ihrer Wähler damit Probleme. 59 Prozent der PDS-Wähler sagen, in Deutschland lebten zu viele Ausländer - mehr als bei jeder anderen Bundestagspartei. Holter: Das hat nicht immer mit Fremdenfeindlichkeit zu tun, sondern mit ganz konkreten Schwierigkeiten. Wenn zum Beispiel hier in Schwerin in einem Wohnhaus mehr ausländische als deutsche Familien angesiedelt werden, dann kommt es zu Konflikten. Es kann aber nicht sein, dass Menschen, die diese Probleme ansprechen, sofort als fremdenfeindlich abgetan werden. SZ: Als Wohnungsbauminister könnten Sie ja was gegen diese Situation tun. Holter: Wir werden mit den Wohnungsbaugesellschaften diskutieren, damit man so eine Ghettoisierung von vornherein vermeidet. SZ: Wie steht es mit der Asylpolitik? Holter: Alle, die hier Asyl suchen, sind herzlich willkommen. SZ: Und sollen anerkannt werden? Holter: Das ist eine andere Frage. Aber die Asylverfahrenspraxis muss überprüft werden. SZ: Heißt das, man sollte die Anerkennungsgründe erweitern? Holter: Das kann ich mir vorstellen. Es gibt nicht nur politisch Verfolgte. |