taz Nr. 6310 vom 30.11.2000, Seite 1 regierungskrise in israel Ein Betriebsunfall namens Barak "Wer zugrunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und Hochmut kommt vor dem Fall", sagt die Bibel (Sprüche 16,18). Ehud Barak liefert den Beweis dafür. Vor kaum eineinhalb Jahren zog er als Triumphator in das Ministerpräsidentenamt ein. Ein hoch dekorierter Kommandosoldat, ein Generalstabschef. In der Armee galt er als äußerst intelligent, weiter wusste man fast nichts von ihm. Wir haben alle für ihn gestimmt, nicht nur um Bibi Netanjahu loszuwerden, sondern weil er den Frieden versprach. Kommentar von URI AVNERY Vorgestern war es so weit, dass er für den Sturz seiner eigenen Regierung stimmen musste. Um ihn herum ist alles kaputt. Der Friedensprozess liegt in Trümmern, die arabische Welt hat beinahe alle Beziehungen zu Israel abgebrochen - was Rabin mit so viel Mühe aufgebaut hat, ist zerstört. Baraks Sünde war tatsächlich der Hochmut. Er hat seine Regierung wie einen Generalstab geführt. Potenzielle Bundesgenossen hat er verprellt, für seine Minister und seine Partei hatte er nur Verachtung übrig. Aber seine größte Sünde war, wie er die Palästinenser behandelte. Er wollte ihnen die Lösung diktieren. Da er von den Hoffnungen und Traumata der Palästinenser keine Ahnung hat, glaubte er, er hätte ihnen ein Angebot gemacht, das sie nicht ausschlagen könnten. Als sie es trotzdem taten, wurde er wütend. Dazu kam, dass Barak, ein politischer Neuling, dem bewährten Führer der Palästinenser mit unglaublicher Arroganz entgegentrat. Die Welt hat mit angesehen, wie Barak Arafat in Camp David mit neckischer Gewalt in Clintons Zimmer schob. Das war symbolisch. Arafat hat schon sechs amerikanische Präsidenten und sieben israelische Ministerpräsidenten überlebt. Er hat sein Volk vom Rande des Nichtseins an die Schwelle der Unabhängigkeit geführt. Barak kann die nächsten Wahlen nur als Friedensstifter gewinnen. Das hängt ganz von Arafat ab. Ironie des Schicksals: Arafat wird die Wahl entscheiden. Frieden bedeutet: ein Staat Palästina mit der Hauptstadt Ostjerusalem, Abzug der Siedler, Wiederherstellung der Grenzen von 1967. Barak hat aber dafür weder die Klugheit noch den Mut. Er versucht auch jetzt noch, Bedingungen zu diktieren, die für die Palästinenser unannehmbar sind. Am Ende wird Barak als Betriebsunfall in die Geschichte Israels eingehen. Der Autor war Mitglied der Knesset und lebt als Publizist in Tel Aviv. |