junge Welt, 01.12.2000 Vor wenigen Tagen hat sich das Berliner Abgeordnetenhaus mit einem ähnlichen Fall in Berlin beschäftigt. Der bündnisgrüne Abgeordnete Hartwig Berger wollte in einer kleinen Anfrage erfahren, wie die Abschiebung des Opfers eines »vermutlich rechten Überfalls« zu rechtfertigen sei. Berlins Innensenator Eckart Werthebach rechtfertigte sich in seiner mündlich vorgetragenen Antwort, man habe bei der Abschiebung nicht gewußt, daß der junge Pole, der in einem Abbruchhaus angetroffen und dann abgeschoben wurde, wenige Tage später als Zeuge vor Gericht aussagen sollte. Vor allem dem Polnischen Sozialrat ist zu verdanken, daß der Fall überhaupt bekannt wurde. Ein polnischer Punk, der im Juli vergangenen Jahres bei einer Auseinandersetzung mit einem Rechten vor die S-Bahn gestoßen worden war und dabei einen Arm und ein Bein verloren hatte, war Anfang November nach Polen abgeschoben worden. Wenige Tage später sollte er vor einem Gericht in Berlin über den Tathergang vernommen werden. Der Angreifer, ein Bauarbeiter aus Berlin, bestritt im Prozeß jede rechtsextreme Gesinnung und stellte das Geschehen als Unglücksfall hin. Als Verteidiger hatte er allerdings mit Wolfgang Nahrath, dem langjährigen Führer der mittlerweile verbotenen rechtsextremen Wiking-Jugend, einen Staranwalt der rechten Szene engagiert. Nachdem der Angeklagte sich ein Hakenkreuz-Tattoo am Arm in der Zwischenzeit übertätowiert hatte, das Auslöser für den Konflikt auf dem S-Bahnhof gewesen war, wurde der Anklagepunkt der Zurschaustellung verfassungsfeindlicher Embleme vom Amtsgericht Tiergarten fallengelassen. Auch vom Vorwurf der schweren Körperverletzung wurde der Mann aus Mangel an Beweisen am 9. November freigesprochen. Ganz nach dem Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten. Der Anwalt des Opfers hat, unterstützt vom Polnischen Sozialrat, Berufung gegen den Freispruch eingelegt. Er will den Fall erneut vor Gericht bringen und dieses Mal auch den Schwerverletzten hören. Da das Gericht mit der Begründung, die finanziellen Hintergründe des jungen Polen seien nicht bekannt, einen Antrag auf Prozeßbeihilfe ablehnte, hat der Polnische Sozialrat bisher sämtliche Kosten für die Nebenklage getragen. Dabei sei die finanzielle Situation seines Verbandes äußerst prekär, betont Mariusz Preogowski vom Sozialrat, der mittlerweile zur Finanzierung des Revisionsverfahrens eine Spendenkampagne gestartet hat. Peter Nowak * Spenden für das Wiederaufnaheverfahren: Polnischer Sozialrat e.V., Kto-Nr.: 3375409, BLZ 10020500, Bank für Sozialwirtschaft, Infos: www.polskarada. de |