Süddeutsche Zeitung, 2.12.2000 Irak stoppt Öl-Lieferungen In einem solchen Fall funktioniert der Krisenmechanismus trotz der noch immer angespannten Marktlage mittlerweile reibungslos: Der Irak hat nach Angaben aus Industriekreisen in der Nacht zum Freitag seine Öl-Lieferungen gestoppt. Doch die Märkte reagierten kaum. In London stieg der Preis für Öl mit Liefertermin im Januar bis nachmittags um lediglich 1,2 Prozent auf 32,27 Dollar je Barrel. Und Rohöl per Lieferung im April notierte mit 29,60 Dollar sogar praktisch unverändert. Auslöser des Lieferstopps ist eine neue "Preisformel" des Irak: Die Abnehmer bekämen danach das Öl auf der einen Seite zu einem sehr niedrigen Preis, müssten andererseits aber einen Zuschlag von 50 Prozent auf ein Sonderkonto Bagdads bezahlen, auf das die UN keinen Zugriff hat. Der Gesamtpreis wäre immer noch vergleichsweise niedrig, doch die Abnehmer würden damit gegen UN-Sanktionen verstoßen. Sie schreiben vor, dass Bagdad über seine Öl-Einnahmen nicht frei verfügen darf, sondern sie für Lebensmittel und Medikamenten-Einkäufe verwenden muss und die Ölrechnungen nur auf Wegen bezahlt werden dürfen, die von der UN kontrolliert werden. Natürlich ließ sich kein "offizieller" Abnehmer - ein kleinerer Teil des Öls wird offenbar immer noch außer Landes geschmuggelt - auf die Bedingungen der irakischen Führung ein, und so musste Bagdad den Hahn zudrehen. Vergangene Woche hatte das Land noch rund 2,3 Millionen Barrel pro Tag und damit etwa drei Prozent des weltweiten Öl-Angebots bereitgestellt. Sowohl US-Energieminister Richardson wie auch die Internationale Energie-Agentur in Paris ließen die Märkte wissen, sie würden bei einer Öl-Knappheit schnell handeln. Vor allem aber hatte Saudi-Arabien signalisiert, man könne und werde notfalls die eigene Förderung um bis zu 1,8 Millionen Barrel pro Tag hochfahren; außerdem verfüge man über 70 Millionen Barrel Lagerbestand. Die Saudis sind freilich auch die einzigen, die kurzfristig den irakischen Lieferausfall ausgleichen können, ohne in die Vorräte zu greifen - was ein Schlaglicht auf das politische Risiko beim Öl wirft. lsb. |