Neue Zürcher Zeitung (CH), 2.12.2000 Drastische Liquiditätsnot in der Türkei Der IMF prüft eine Soforthilfe-Aktion Der Internationale Währungsfonds (IMF) scheint bereit zu sein, der Türkei neue Finanzhilfe zur Überbrückung einer Liquiditätskrise zu gewähren, sofern das Land seine kürzlich angekündigten Wirtschaftsreformen umsetze. it. Istanbul, 1. Dezember Der Internationale Währungsfonds (IMF) hat sich grundsätzlich bereit erklärt, der Türkei mit ausserplanmässigen Krediten aus der sich gefährlich zuspitzenden Liquiditätskrise zu helfen. Experten des Fonds werden am Wochenende in die Türkei reisen, um die Lage an Ort zu prüfen. Nur konditionierte Aktionen Das gesamte türkische Finanzsystem war bereits vor zehn Tagen unter starken Druck geraten, als ausländische Investoren sich im Zug der «Argentinien-Krise» aus der Türkei zurückzogen. Von diesem «schwarzen Mittwoch» hat sich die türkische Börse seither nicht erholt. Gleichzeitig führte eine vom IMF geforderte Verschärfung der Bankenvorschriften zu weiteren Fluchtbewegungen. Nach Schätzungen der türkischen Finanzpresse haben seit dem schwarzen Mittwoch insgesamt 6 Mrd. $ das Land verlassen. Dieser zusätzliche Druck auf das Finanzsystem verschärfte wiederum die schwelende Strukturkrise im Bankensektor. Mehrere Banken mussten, als sie die schärferen Vorschriften nicht mehr einhalten konnten, unter staatliche Aufsicht gestellt werden. Das gefährliche Gemisch eines extrem volatilen Marktes und eines inflationären Umfeldes hatte viele Geldhäuser zu extrem riskanten Anlagen verführt. In mehreren Fällen laufen zudem Untersuchungen wegen krimineller Machenschaften: Die seit einiger Zeit laufende Antikorruptionskampagne brachte erschreckende Praktiken ans Licht. So wurde der Bankier Murat Demirel, der Neffe des bisherigen Staatspräsidenten Süleyman Demirel, gefilmt, als er kofferweise Dollars ins Ausland brachte. Obwohl dies an sich noch nicht verboten ist, beschäftigt sich die Justiz seither mit der Frage nach der Herkunft dieser Gelder. Das IMF hatte, nicht zuletzt wegen der Verquickung des milliardenschweren Drogenhandels mit dem Staat und mit der Finanzwelt, eine weitreichende Strukturreform des Bankensystems gefordert. Reformgesten |