Süddeutsche Zeitung, 2.12.2000 Aktuelle Umfrage-Ergebnisse in Israel "Frieden ja - aber nicht mit Arafat" Mehrheit der Israelis für Abkommen mit Palästinensern / Ramadan-Freitagsgebet auf Tempelberg verläuft friedlich / Von Thorsten Schmitz Jerusalem - Bei dem ersten Freitagsgebet im islamischen Fastenmonat Ramadan vor der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem ist es nicht zu den befürchteten gewalttätigen Zwischenfällen gekommen. Nach Angaben des israelischen Armeerundfunks wurden lediglich vereinzelte Steinwürfe gemeldet, bei denen niemand verletzt wurde. Nach palästinensischen Angaben beteten 40 000, nach israelischen Schätzungen 105 000 Muslime friedlich vor der Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg. Mehr als 3000 israelische Polizisten sicherten die Altstadt ab, um Ausschreitungen zu verhindern. Die Unruhen in den Palästinensergebieten waren am 28. September ausgebrochen, nachdem Oppositionsführer und Likud-Chef Ariel Scharon die Esplanade des Tempelbergs besucht hatte. Angesichts des Fastenmonats Ramadan hatte die israelische Regierung die Zugangsbeschränkungen zum Tempelberg gelockert und Muslimen aus Ost-Jerusalem das Beten vor der Al-Aksa-Moschee erlaubt. Muslimen aus dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen blieb der Zugang aber weiter verwehrt. Es kam zu Handgemengen zwischen Soldaten und Palästinensern. Hunderte Muslime versammelten sich zum Freitagsgebet an einem Kontrollposten, der Jerusalem und Bethlehem voneinander trennt. In den Städten Hebron und Bethlehem und im Gaza-Streifen kam es wie in den vergangenen Tagen zu Konfrontationen israelischer Soldaten mit Palästinensern. Bei Zusammenstößen wurden zwei Palästinenser getötet. Nach Angaben der israelischen Armee hat die Intensität der Kämpfe aber "merklich nachgelassen, auch weil es viele Palästinenser während des Ramadan tagsüber fasteten. Ungeachtet der Unruhen sind nach jüngsten Umfragen die meisten Israelis dennoch für ein umfassendes Friedensabkommen mit den Palästinensern. Die Tageszeitung Jediot Achronot berichtete am Freitag, 59 Prozent der Befragten würden bei einem Referendum für ein Friedensabkommen stimmen. Gleichwohl glauben 56 Prozent, dass Israel derzeit in Palästinenserpräsident Jassir Arafat keinen Partner für einen Friedensschluss hat. Ähnlich pessimistisch äußerte sich Barak. In einem Interview sagte er: "Die Palästinenser werden nicht verschwinden, sich nicht in Luft auflösen und auch nicht verjagt werden. Wenn ein Friedensschluss mit Arafat nicht zu verwirklichen ist, werden wir Frieden machen mit den Kindern, die heute Steine auf uns werfen. In der Nacht zum Freitag ist Barak auf einem "kleinen" Parteitag seiner Arbeitspartei "inoffiziell" zum Kandidaten für das Amt des Regierungschefs nominiert worden. Die Nominierung jedoch besitzt lediglich symbolischen Charakter und ist nicht bindend. Im Rahmen einer Sondersitzung des Zentralkomitees der Partei hatten die Delegierten eine Resolution formuliert, in der sie sich hinter Barak stellten. Barak war am Dienstag einem Misstrauensvotum des Likud zuvorgekommen und hatte sich für Neuwahlen im Mai ausgesprochen. |