Frankfurter Rundschau, 4.12.2000 Vor Ansätzen zu rechtem Terror gewarnt Verfassungsschützer sehen Hinweise / NPD-Mann wusste womöglich von Anschlagsplan Von Anne Riedel und Eckhard Stengel Der Präsident des Bundesamtes für den Verfassungsschutz, Heinz Fromm, hat ein Zeugenschutzprogramm angeregt, um Mitgliedern der rechtsextremen Szene den Ausstieg zu erleichtern. "Braunen Terrorismus" gibt es nach seiner Ansicht zwar noch nicht, wohl aber Ansätze dazu. KASSEL / BREMEN, 3. Dezember. In jüngster Zeit seien bei rechtsextremen Organisationen vermehrt Waffen und Sprengstoff gefunden worden, sagte Heinz Fromm jetzt auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kassel. Hinweise auf eine wachsende Terrorbereitschaft gebe es auch in der "politischen Gewaltdiskussion" rechtsradikaler Gruppen. Fromm bestätigte, dass die Zahl rechtsextremer Gewalttaten zuletzt gestiegen ist. Anfang der 90er Jahre sei sie freilich noch höher gewesen. Im Unterschied zu damals würden derartige Straftaten inzwischen auch stärker wahrgenommen, "weil es Tote gegeben hat". Der oberste Verfassungsschützer rechtfertigte in Kassel das geplante NPD-Verbot. Die Partei habe sich binnen drei Jahren "systematisch für Neonazis geöffnet". Die Zahl der NPD-Mitglieder sei von etwa 3000 im Jahre 1996 auf rund 6500 gestiegen. Fromm nimmt zwar nicht an, dass die Mitglieder einer Organisation nach deren Verbot "ihre Gesinnung ändern und zu Demokraten werden". Im Fall der NPD rechnet er aber damit, dass sich etwa ein Drittel der Parteigänger aus der Politik zurückziehen würden. Das zweite Drittel werde nach einem Verbot in andere rechtsextreme Parteien wechseln, der Rest werde sich unter einem anderem Mantel neu formieren. Gleichwohl plädiert Fromm dafür, die NPD zu verbieten: Die Erfahrung lehre, dass mit einem Verbot und der damit verbundenen Beschlagnahme des Parteivermögens nicht nur die finanzielle, sondern auch die logistische Basis und folglich ein Stück "Mobilisierungsfähigkeit" zerstört worden sei. In der Kölner Zeitung Express sprach sich Fromm für ein Zeugenschutzprogramm aus, um Mitgliedern der rechten Szene den Ausstieg zu erleichtern. "Ein Zeugenschutzprogramm kann durchaus Sinn machen. Das hatten wir bei den RAF-Aussteigern in den 80er Jahren auch schon." Die Hemmschwelle sinke bei Zweiflern sicher, wenn sie nicht mit Strafen rechnen müssten und von der Bildfläche verschwinden könnten, sagte Fromm. Gegen den Bremer NPD-Kreisvorsitzenden Michael Kurzeja ist ein Ermittlungsverfahren wegen "Nichtanzeige geplanter Straftaten" eingeleitet worden. Nach FR-Informationen wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor, von Plänen für einen ausländerfeindlichen Anschlag erfahren, die Polizei aber nicht alarmiert zu haben. Wie berichtet, hatten die Ermittler Ende Oktober den 21-jährigen Rechtsextremisten Falk L. verhaftet, der Materialien für eine Splitterbombe zusammengetragen hatte. Damit wollte er laut Ermittlern vermutlich ein Flüchtlingsheim angreifen. NPD-Funktionär Kurzeja erweckte danach den Verdacht, Mitwisser gewesen zu sein: Die taz zitierte ihn mit der Aussage, der parteilose L. habe vor der Verhaftung einzelne Rechte gefragt, ob sie sich an einer Aktion gegen ein Asylbewerberheim beteiligen wollten. |