Neue Zürcher Zeitung (CH), 5.12.2000 EU-Beitritts-Partnerschaft mit der Türkei lts. Brüssel, 4. Dezember Im zweiten Anlauf haben die EU-Aussenminister den Text der Beitrittspartnerschaft mit der Türkei verabschieden können. Dieses Dokument ist das Herzstück der Heranführungsstrategie. Es enthält konkrete kurz- und mittelfristige politische und wirtschaftliche Prioritäten, die von der Türkei vor der Aufnahme von eigentlichen Beitrittsverhandlungen erfüllt sein müssen. Im Gegenzug erhält die Türkei EU-Gelder als Beitrag an die Kosten der erforderlichen ökonomischen und institutionellen Umstellungen und Anpassungen. Schon in der Kommission hatte die griechische Kommissarin durchgesetzt, dass bei den kurzfristigen politischen Kriterien auch die Verpflichtungzur Zusammenarbeit mit dem Uno-Generalsekretär bei der Suche nach einer friedlichen Lösung des Zypernkonflikts aufgenommen wurde. Als das Geschäft mit den Kommissionsanträgen vor zwei Wochen zur Beschlussfassung in den Rat der EU-Aussenminister kam, beharrte der griechische Vertreter zudem bei den mittelfristigen Kriterien auf einer Regelung der ungelösten Grenzstreitigkeiten in der Ägäis. Ankara stellte sich auf den Standpunkt, beide Forderungen Athens stünden im Widerspruch zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Helsinki im vergangenen Dezember, als die EU der Türkei den Status eines Beitrittskandidaten zugestanden hatte. Schon damals spielten Zypern und die Ägäis eine Rolle.Der damalige amtierende Ratspräsident, der finnische Regierungschef Lipponen, versicherte denmisstrauischen Türken jedoch schriftlich, die Hinweise auf die beiden strittigen Themen in denSchlussfolgerungen des Rats seien nicht als zusätzliche Beitrittskriterien, sondern als Gegenstände des politischen Dialogs zu verstehen. Die Türken beriefen sich jetzt auf jene Zusagen und lehnten die Forderungen der Griechen rundweg ab. Die französische Präsidentschaft nahm darauf das Geschäft von der Traktandenliste, und die Diplomatie begann mit dem emsigen Redigieren von Kompromissformeln. Schliesslich teilte der französische Aussenminister Védrine am Schluss der Ratssitzung vom Montag erleichtert mit, dass man sich auf eine Formel geeinigt habe. Diese lässt zwar mit Rücksicht auf die Griechen den Begriff der politischen Kriterien nicht fallen, bettet diesen aber zur Beruhigung der Türken in die Erklärungen von Helsinki und in den an keine zeitlichen Vorgaben gebundenen politischen Dialog ein. Der für die Erweiterung zuständige Kommissar Verheugen begrüsste den erfolgreichen Durchbruch zur Beitrittspartnerschaft, von der er sich in der Türkei einen fundamentalen Wandel hin zu Demokratie verspricht. |