Neue Zürcher Zeitung (CH), 5.12.200
Siedlerstrasse durch Baumgärten bei Gaza
Neue israelische Helikopterangriffe bei Bethlehem
Israels Armee hat mit der Begründung von Sicherheitsmassnahmen
bei Gaza eine Strasse für jüdische Siedler mitten durch palästinensische
Baumgärten gezogen. Bei Bethlehem setzte sie bei einem Vergeltungsangriff
Kampfhelikopter und Artillerie ein.
vk. Limassol, 4. Dezember
Die israelische Regierung von Ministerpräsident Barak hat, kurz
nachdem sie den Palästinensern neue Friedenspläne vorgeschlagen
und vertrauensbildende Massnahmen zugestanden hatte,am Montag im Gazastreifen
eine gesonderte Zufahrtsstrasse für jüdische Siedler mitten
durch palästinensische Plantagen eröffnet. Das liegt auf der
Linie der alten Vergeltungsstrategie, bei jedem Anzeichen von Widerstand
den Siedlern noch grössere Vorzüge gegenüber den Palästinensern
einzuräumen. Die israelische Armee machte dringliche Sicherheitsmassnahmen
geltend, um diese in zwei Wochen planierte Sonderstrasse freizugeben,
welche unter Umgehung der Krisenfront beim Übergang Muntar/Karnei
über vierKilometer quer durch den Gazastreifen zur Siedlung Netzarim
führt. Damit soll auf Kosten von über einer Million Palästinensern
der ungestörte Verkehr von wenigen tausend jüdischen Siedlern
gesichert werden.
Weitere Sperrung der Hauptachse
Für die Sonderstrasse wurde rund ein Kilometer südlich von Muntar
eine Bresche in den Grenzzaun geschnitten. Dann zogen Bulldozer sie mitten
durch Ackerland und Plantagen bis kurz vor der alten Netzarim-Kreuzung,
wo sie wieder auf die alte Strasse einmündet. Beiderseits der neuen
Fahrstrasse holzte die Armee auf einem Streifen von je 75 Metern Breite
jeglichen Bewuchs ab und zerstörte mehrere palästinensische
Häuser, um allfälligen Angreifern kein Versteck zu bieten. Der
zweite Krisenherd, die Kreuzung mit der Nord-Süd-Verbindung des Gazastreifens,
ist dadurch entschärft, dass diese Hauptachse zwischen Gaza-Stadt
und Khan Yunis sowie Rafah wie schon während der vergangenen drei
Wochen für Palästinenser geschlossen bleibt. Rund um die Kreuzung
hat die Armee schon in den ersten Intifada-Wochen sämtliche palästinensischen
Bautendem Erdboden gleichgemacht und Plantagen eingeebnet. Am Montag demonstrierten
in der Nähe dieser Kreuzung, bei Kfar Darom, die jüdischen Siedler
dafür, dass den Palästinensern diese Landstrasse weiterhin untersagt
bleiben müsse. Journalisten in Gaza berichteten über weitere
Planierungsarbeiten der Israeli im Norden des Streifens bei der Siedlung
Dugit, wo rund eine Hektare an Zitrusplantagen betroffen sei.
Spannungen um das Rachel-Grab
Beim Rachel-Grab im Norden von Bethlehem meldete die israelische Armee
in der Nacht auf Montag ein dreistündiges Feuergefecht. Die Armee
sprach von einem wohl geplanten Angriff von Dutzenden von Palästinenserkämpfern.
Die Israeli setzten schwere Maschinengewehre, Artillerie und schliesslich
Kampfhelikopter ein, dieRaketen auf Stützpunkte palästinensischer
Heckenschützen gefeuert hätten. Die Palästinenserzählten
drei Verwundete im benachbarten Flüchtlingslager Aida. Nach den Ausführungen
des palästinensischen Gouverneurs von Bethlehem folgte die Schiesserei
auf einen blutigen Zwischenfall am Sonntagnachmittag im nahe gelegenen
Dorf Husan. Dort brachen nach dem Armeesprecher an mehreren Stellen gewaltsame
Protesteaus, als eine israelische Patrouille einen Palästinenser
in dem Dorf verhaftete. Der Gouverneursagte, die Soldaten hätten
zusammen mit jüdischen Siedlern auf Palästinenser geschossen,
unter anderem beim Gebet in der Moschee von Husan; es habe mindestens
15 Verwundete gegeben. Nach seinen Ausführungen ist die Lage in der
Gegend von Bethlehem äusserst angespannt, weil die Bevölkerung
infolge einer zweimonatigen Blockade der Israeli ihre Wohnorte nicht mehr
verlassen kann.
|