Badische Zeitung, 6.12.2000 Irakischer Ölexport-Stopp als Druckmittel: Saddam Hussein will wieder frei über seine Petromilliarden verfügen können Keine Überraschung für die Märkte Von unserem Korrespondenten Michael Wrase LIMASSOL. Zehn Jahre nach der Verhängung der Golfkriegs-Sanktionen will Saddam Hussein wieder frei über seine Erdöleinkünfte verfügen können. Um seine Forderung durchzusetzen, hat der irakische Diktator vergangene Woche den Ölexport gestoppt. Die Märkte zeigten sich von diesem Schritt - bislang - unbeeindruckt. Ein Barrel (159 Liter) OPEC-Öl hat am Montag im Schnitt 28,28 Dollar gekostet, berichtete das OPEC- Sekretariat gestern in Wien. In der vergangenen Woche hatten für diese Menge noch 30,92 Dollar, in der Woche davor sogar 31,63 Dollar gezahlt werden müssen. Damit nähert sich der Preis nach vielen Monaten über der 30 Dollar-Marke wieder dem angestrebten Richtpreis zwischen 22 und 28 Dollar an. Auch der Direktor der Internationalen Energieagentur, Robert Priddle, warnt davor, den irakischen Exportstopp zu überschätzen: "Diese Möglichkeit wurde schon lange diskutiert und kommt nicht als Überraschung für die Märkte." Obwohl sich die irakische Position im Pokerspiel um die schrittweise Aufhebung der Sanktionen nun ein wenig verschlechert hat, will die irakische Führung hart bleiben. "Wir werden auf keinen Fall zurückweichen", sagte der irakische Ölminister Mehdi Saleh in Dubai. Sein Land werde erst dann wieder mit den Öllieferungen beginnen, wenn die Kunden des Iraks eine Prämie von einem halben Dollar pro Barrel auf ein irakisches Konto in Jordanien überweisen. Man benötige diese Einnahmen, um "Ölarbeiter bezahlen zu können ". Tatsächlich verfolgt Bagdad ganz andere Ziele. "Saddam Hussein will über seine Petromilliarden wieder frei verfügen können", sagen europäische Ölanalysten in Kuwait. Der erste Schritt auf dem Weg zur "finanziellen Unabhängigkeit" sei die von ihm geforderte Prämie von einem halben Dollar. Sollte sich die UNO auf diesen Deal einlassen, würde der Iraker den Preisaufschlag schon bald erhöhen. "Saddam", berichtete die New York Times gestern, "braucht die 50-Cent-Prämie zum Waffenkauf". Und Russland, das Waffen liefern könnte, werde alles tun, um die irakische Forderung nach Aufhebung der Sanktionen im Weltsicherheitsrat zu unterstützen. Die vom UNO-Sicherheitsrat im Juni verabschiedete achte Phase des Programms "Öl gegen Lebensmittel" sieht bis Ende Dezember irakische Ölexporte für über 11 Milliarden Dollar und Güterimporte im Umfang von gut sieben Milliarden Dollar vor. Die Differenz wird zur Begleichung von Reparationsforderungen aus der Zeit des Golfkrieges verwendet, welche sich auf 320 Milliarden Dollar belaufen. Durch die relativ hohe Fördermenge und das hohe Ölpreisniveau hat sich die Versorgungslage im Irak erheblich verbessert. Einen länger andauernden Exportstopp, erklärte der irakische Ölminister Saleh, könne man deshalb "gut überstehen". Überdies verfügt der Irak noch über Einnahmen aus dem Erdölschmuggel nach Jordanien, in die Türkei, Iran sowie seit einigen Wochen auch nach Syrien. Diese belaufen sich nach vorsichtigen Schätzungen auf knapp drei Milliarden Mark im Jahr, über die die Familie von Saddam Hussein frei verfügen kann. Der Westen werde mittelfristig dagegen Schwierigkeiten haben, einen Ausfall von 2,5 Millionen Barrel über Monate zu ersetzen, hofft Saleh. Saudi-Arabien und Kuwait versicherten am Wochenende allerdings, man werde alles tun, um die Lieferlücke zu schließen. Vollständig gelingen werde dies jedoch nicht. Die USA wollen deshalb Teile ihrer strategischen Reserven freigeben, falls Engpässe auftreten. Beobachter im Nahen Osten warten nun mit Spannung darauf, wie die beiden Architekten des Golfkriegs, Dick Cheney und General Colin Powell, auf die irakische Herausforderung reagieren, wenn sie, wie allgemein erwartet, im Januar ihre Ämter antreten. Die New York Times erinnerte bereits an die "unerledigten Aufgaben, mit denen eine Bush-Administration schon bald konfroniert werde." In Bagdad sieht man dem Machtwechsel in Washington gelassen entgegen. "Saddam Hussein", prognostizierte die Zeitung Babel, "werde die Mutter aller Schlachten mit Sicherheit als Sieger beenden." Verloren hat der Diktator diese "Schlacht jedenfalls nicht. Die von der UNO verhängten Sanktionen haben seine Machtposition eher gestärkt. Was ihm noch fehlt, sind die Milliarden aus dem Ölgeschäft, um seine Streitkräfte wieder aufzurüsten. |