taz Hamburg 7.12.2000 Lizenz zum Lückenbüßen "Nur ein erster Schritt": Hamburger Kritik am Beschluss, das Arbeitsverbot für Asylbewerber aufzuheben. Deutsche haben Vorrang Von Heike Dierbach Auf verhaltene Zustimmung in Hamburg ist der Beschluss der Bundesregierung gestoßen, das Arbeitsverbot für AsylbewerberInnen und AusländerInnen mit einer Duldung aufzuheben. Ausländerbeauftragte Ursula Neumann nannte ihn "ein wichtiges Signal hin zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz". Flüchtlinge würden aus "erzwungener Untätigkeit" gelöst. Aber die "große Hürde", so Neumann, "ist bedauerlicherweise nicht beseitigt worden." Asylbewerber erhalten - - wie bisher schon alle Nicht-EU-Bürger - nur dann eine Arbeitserlaubnis, wenn sich für den jeweiligen Job kein Deutscher oder EU-Bürger findet. "In 98 Prozent der Fälle wird deshalb die Erlaubnis verweigert", weiß Anne Harms von der Flüchtlingshilfsorganisation "Fluchtpunkt". In der Praxis müsse "mehr passieren" als dieser Beschluss: "Das Bundesarbeitsministerium muss eine Weisung erlassen, Anträge nicht mehr so pauschal und überzogen abzulehnen." Beim Hamburger Arbeitsamt beruft man sich auf die Gesetzeslage. Danach gebe es beispielsweise für gelernte Berufe prinzipiell keine Arbeitserlaubnisse, so Sprecher Jörn Böttcher. Daran werde sich auch durch den neuen Beschluss nichts ändern. Bei anderen Branchen hingegen, so im Hotel-, Gaststätten- und Reinigungsgewerbe "bekommen Sie immer eine Erlaubnis" - eine Aussage, die Harms dementiert: "Wir haben viele Leute in der Beratung, die auch dort nur eine Erlaubnis für geringfügige Beschäftigung bekommen." Harms fordert, bestimmte Branchen generell freizugeben. Die Firmen haben die Vorrang-Regel immer wieder kritisiert, sagt Günther Klemm, Chef-Volkswirt der Handelskammer. Für die Arbeitgeber brächten sie einen höheren Aufwand: "Und in vielen Bereichen weiß man von vorneherein, dass man sonst niemanden bekommt." Die Handwerkskammer findet die Regelung zudem gesellschaftspolitisch problematisch: "Man kann Ausländer nicht nur als Lückenbüßer ansehen", sagt Hauptgeschäftsführer Jürgen Hogeforster. Viele seien hochmotiviert, sich zu qualifizieren. Der schleswig-holsteinische Innenminister Klaus Buß (SPD) hingegen, der sich für den Wegfall des Ar-beitsverbotes eingesetzt hatte, begrüßte die Beibehaltung der Vorrangregelung: "Keinem Deutschen wird ein Arbeitsplatz weggenommen." Wie viele AsylbewerberInnen und geduldete AusländerInnen von der neuen Regelung in Hamburg betroffen sind, wissen die Behörden nicht. 24.000 Asylbewerber leben in der Stadt, dabei mitgerechnet sind aber Kinder und all jene, die kürzer als ein Jahr hier sind und deswegen noch nicht arbeiten dürfen. Die Sozialbehörde hat deshalb auch noch keinen Überblick, wie viel weniger Sozialhilfe sie möglicherweise im kommenden Jahr ausgeben muss. Beim Arbeitsamt rechnet man mit keinem Ansturm, wohl aber einem "deutlichen Anstieg" der Anträge. Dieser, so Böttcher, sei aber ohne zusätzliches Personal zu bewältigen. Siehe auch Seiten 1 und 7 |