Süddeutsche Zeitung, 7.12.2000 Verhandlungen über Notstandsregierung gescheitert Scharon lehnt große Koalition mit Barak ab Termin für Neuwahlen noch immer unklar / Israel zieht nach Anschlägen Diplomaten aus Amman zurück / Von Thorsten Schmitz Jerusalem - Der Vorsitzende der oppositionellen Likud-Partei, Ariel Scharon, hat nach einem Gespräch mit Israels Premierminister Ehud Barak seine Haltung erneut geändert und die Bildung einer großen Koalition abgelehnt. Nach Informationen des Armeerundfunks befürwortet Scharon nun doch Neuwahlen. Das israelische Parlament hatte vor einer Woche mehrheitlich in erster Lesung für ein Gesetz zur Selbstauflösung gestimmt. Barak hatte Scharon nach offiziellen Angaben in der Nacht zu Mittwoch eingeladen, um mit ihm über die politische Situation zu sprechen. Bei dem Treffen wurde nach Rundfunkangaben auch über die Bildung einer "Regierung des nationalen Notstands" verhandelt, die beide Politiker Neuwahlen vorzögen. Barak möchte mit dem Likud koalieren, um Neuwahlen zu verhindern - angesichts der Unruhen in den Palästinensergebieten und seiner gesunkenen Popularität, sieht es derzeit nicht danach aus, dass er wiedergewählt würde. Scharon seinerseits fürchtet eine Kandidatur seines innerparteilichen Rivalen und früheren Premiers Benjamin Netanjahu. Auf einen Termin für Neuwahlen haben sich die israelischen Parteien bei Gesprächen am Mittwoch noch nicht einigen können. Mehrere religiöse Parteien stellten Barak am Mittwoch in Aussicht, sie würden bei der nächsten Lesung in seinem Sinne gegen Neuwahlen stimmen, falls Barak den Einberufungsbefehl in die Armee für religiöse Studenten rückgängig mache. Ab 1. Januar müssen auch Religionsstudenten nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ihre Soldatenausbildung beginnen. Nach dem Anschlag auf einen Angestellten der israelischen Botschaft in Jordaniens Hauptstadt Amman am Dienstagabend hat Israel den Abzug aller Diplomaten aus Amman angeordnet. Palästinensische Extremisten hatten auf das Auto des Angestellten geschossen und ihn leicht verletzt. Am 19. November war der israelische Vizekonsul in Amman durch Schüsse leicht verletzt worden. Die jordanische Regierung verurteilte die Anschläge. Jordanien ist neben Ägypten das einzige arabische Land, mit dem Israel Frieden geschlossen hat. Begleiter des UN-Nahost-Gesandten Terje Roed-Larsen wurden nach palästinensischen Angaben gewaltsam am Besuch der Altstadt von Hebron gehindert. Im geteilten Hebron leben 40 000 Palästinenser und 400 Siedler. Die Altstadt steht wegen der Unruhen seit mehr als zwei Monaten unter Ausgangssperre. |