Hannoversche Allgemeine Zeitung, 8.12.2000 "Ohne Asylgrundrecht kommen nicht weniger Zuwanderer" Ein "modernes Einwanderungsland" sei die Bundesrepublik auf jeden Fall, seit Jahrzehnten überträfen dauerhafte Zuwanderungen die Auswanderungen. "Was fehlt, ist die transparente und flexible Gestaltung durch Einwanderungsgesetzgebung und Einwanderungspolitik." Sie erst könnten die nötige Transparenz schaffen und so falschen Hoffnungen und Ängsten bei Zuwanderungswilligen und Deutschen begegnen. Aber bei den Themen Einwanderung und Asyl gebe es - besonders in Teilen der Union - ein "Versteckspiel mit der Wirklichkeit". Illegale Zuwanderung oder den viel beklagten Missbrauch des Asylrechts zu Einwanderungszwecken gebe es auch deshalb, weil Einwanderung so gut wie gar nicht vorgesehen sei. Deshalb seien die Abschottung der "Festung Europa" und das florierende Geschäft der Schleuserorganisationen zwei Seiten einer Medaille. "Je höher der Zaun um das gelobte Land, desto stärker die Neigung, ihn illegal zu überwinden", sagt der Direktor des Osnabrücker Instituts für Migrationsforschung, der seit mehr als 25 Jahren Wanderungswellen in Europa, den USA und der Dritten Welt erforscht und es daher gewohnt ist, Migrationsmythen mit nüchterner Empirie entgegenzutreten - zuletzt in seinem neuen Buch "Europa in Bewegung". Der für seine provokanten Thesen bekannte Wissenschaftler warnt freilich auch davor, von einem Einwanderungsgesetz ein Ende aller Migrationskonflikte zu erwarten. Schließlich bestehe ein unverkennbares Interesse an illegalen Beschäftigungsverhältnissen: "Wenn es schätzungsweise 500 000 illegale ausländische Arbeitnehmer in Deutschland gibt, dann gibt es auch einige hunderttausend illegale Arbeitgeber." Bade, der zurzeit am Wissenschaftskolleg in Berlin arbeitet, warnt davor, Einwanderer und Asylsuchende gegeneinander aufzurechnen: Im einen Falle gehe es um wirtschaftliche Interessen, im anderen um humanitäre Pflichten. Für Einwanderung brauche man klare Kriterien und Quoten. Es dürfe aber keine "Quotierung von Hilfsbereitschaft" geben. Nötig sei vielmehr eine europäische Lastenteilung bei dieser Aufgabe. Davon könnten die Deutschen aber kaum Erleichterung erwarten. Denn gemessen an der Bevölkerungszahl sei Deutschland als Asylland in Europa inzwischen auf Platz zehn zurückgefallen. Als "Gespensterdebatte" tut Bade die Forderung nach einer Abschaffung des Grundrechts auf Asyl ab. "Ohne das Asylgrundrecht kommen nicht weniger Zuwanderer." Denn wer dann nach deutschem Recht als Asylbewerber abgewiesen werde, könne sich auch weiterhin auf die UN-Flüchtlings- oder die Europäische Menschenrechtskonvention berufen. Außerdem gebe es für eine Abschaffung des Asylrechts keine Mehrheit im Bundestag. "Wer das propagiert, bewegt sich am Rande der politischen Glaubwürdigkeit." Daniel Alexander Schacht, Hannover
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