Kölner Stadtanzeiger, 9.12.2000 Der Irak und die Sanktionen der UN Saddams "Ölkarte" Von Brigitte Cerha Der Irak spielt im Rohöl-Preisgefüge eine wichtige Rolle. Das Land deckt mit seinen Exporten von rund 2,3 Millionen Barrel am Tag zwar nur vier Prozent des internationalen Ölverbrauchs. Kein anderes Förderland verfügt aber über derart hohe Kapazitäten nicht angezapfter Reserven. Dies liegt vor allem daran, dass die UN nach Ende des Golfkrieges Sanktionen erlassen hatte, die die Erschließung neuer und die bessere Ausbeutung bestehender Ölfelder verhindern. Der Streit um die Sanktionen ist in der vergangenen Woche in eine neue Runde gegangen. Aus Protest stellte Irak vor neun Tagen die Auslieferung von Öl vorerst ein. Kern des Zwistes: Bislang fließen sämtliche Öl-Erlöse Bagdads im Rahmen des Öl-für-Nahrungsmittel-Programms auf ein Treuhänder-Konto der UN, die kontrolliert, wofür die Einnahmen ausgegeben werden. Nun verlangt Bagdad einen Preis-Aufschlag von 50 US-Cents pro Barrel. Diese Gelder sollen nach irakischem Gutdünken verwendet werden dürfen. Der Weltsicherheitsrat signalisierte am Mittwoch Kompromissbereitschaft, das Öl-für-Nahrungs-Abkommen um sechs Monate zu verlängern - und Bagdad erstmals freiere Hand bei der Verwendung seiner Einnahmen zuzugestehen. Prompt sank der Ölpreis. Dennoch gleicht die Strategie Saddam Husseins, die "Ölkarte" im Streit um die Sanktionen einzusetzen, einem Seiltanz. Einerseits will er zwar die USA und England unter Druck setzen, andererseits aber Staaten wie Russland, China, Frankreich und andere Europäer schonen, die sich seit einiger Zeit für die Aufhebung des Embargos einsetzen. Saddam richtet seinen Zorn gegen Amerikaner und Engländer nicht nur der Bombardements wegen, mit denen diese das irakische Flugverbot im Norden und Süden des Landes erzwingen. Vor allem macht der Irak Washington und London für die Blockade von internationalen Lieferverträgen durch das UN-Sanktionskomitee verantwortlich. Dieses aus Mitgliedern des Weltsicherheitsrates zusammengesetzte Gremium verwaltet die irakischen Öleinnahmen und entscheidet darüber, welche Produkte für humanitäre Zwecke in den Irak geliefert werden dürfen. In europäischen Wirtschaftskreisen herrscht seit langem der Verdacht, dass Verträge blockiert werden, um amerikanische und britische Firmen zu fördern. Bisher hat der Irak aus dem Öl-für-Nahrungs-Abkommen Öl im Wert von mehr als 38 Milliarden.Dollar exportiert. Dafür hat Bagdad nach eigenen Angaben bisher Waren für nur 8,5 Milliarden Dollar erhalten. 3,5 Milliarden werden offiziell mit dem Hinweis auf mögliche Verwendung für militärische Zwecke blockiert, 14 bis 15 Milliarden Dollar liegen eingefroren auf dem UN-Treuhandkonto.
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