Stuttgarter Nachrichten, 09.12.2000 "Türkei ist bereit für EU-Mitgliedschaft'' Onur Öymen - Der Nato-Botschafter der Türkei pocht auf einen gleichberechtigten Status der Türkei in den neuen Sicherheitsstrukturen der Europäischen Union. Er hofft auf ein positives Ergebnis in Nizza. Die EU baut eine neue Sicherheits- und Verteidigungsstruktur auf. Sie ist aber nicht mehr bereit, die Türkei, wie in der WEU, an internen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Findet sich die Türkei damit ab? Beim Nato-Gipfel im April 1999 wurde beschlossen, dass die Nato-EU-Beziehungen auf der Grundlage der bestehenden Nato-WEU-Mechanismen aufgebaut werden. Das bedeutet, dass die europäischen Nato-Mitgliedstaaten, die nicht der EU angehören, die gleichen Rechte bei EU-geführten Operationen haben sollten, auch bei der Vorbereitung und Planung. Bei den Gipfeln in Köln, Helsinki und Feira blieb die EU hinter dieser Linie zurück. Wir hoffen, dass beim Gipfel in Nizza ein besseres Ergebnis erreicht wird. Die Türkei erwartet, dass die Entscheidung von Washington umgesetzt wird. Wir sind bereit, uns mit einer Brigade an der europäischen Eingreiftruppe zu beteiligen. Warum will sich die Türkei an der EU-Sicherheitsstruktur beteiligen? Nach Ansicht von Experten werden sich mögliche Krisen, die die EU künftig bewältigen muss, in den Nachbarregionen der Türkei, im Kaukasus, im Nahen Osten oder auf dem Balkan abspielen. Es ist daher natürlich, dass die Türkei bei Interventionen, die ihre politischen, wirtschaftlichen und militärischen Belange berühren, ein Mitspracherecht wünscht. Es wäre falsch, mögliche Krisen vorrangig unter militärischen Aspekten zu betrachten. Die Türkei ist in ihrer Region auch als stärkste Wirtschaftsmacht und kulturelle Brücke von Bedeutung. Die Türkei möchte in die EU. Dem stehen aber neben den Menschenrechtsproblemen auch wirtschaftliche Probleme des Landes entgegen. Bewertet man das Bruttosozialprodukt nach der Kaufkraft, liegt die Türkei in Europa an sechster Stelle. Zudem ist das Bevölkerungswachstum auf ein vernünftiges Maß gesunken. Die OECD-Daten zeigen, dass die Türkei wirtschaftlich besser dasteht als viele andere EU-Kandidaten und für eine baldige Mitgliedschaft bereit ist. Fragen von Utku Pazarkaya
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