Tagesspiegel, 11.12.2000 IWF Ein neues Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds Die Welt hält ihn für einen Helden. Er arbeitet für den Internationalen Währungsfonds (IWF) und verbringt seinen Tag damit, sich durch einen Berg von Daten zu kämpfen und langweilige Berichte zu verfassen. Hin und wieder jettet er in irgendeine weit entfernte Hauptstadt zu einem Treffen mit Finanzbeamten oder Vertretern der diversen Zentralbanken. Diese Leute sind gebildet, sehr höflich und verstehen sich ausgezeichnet mit ihm. Manchmal geraten diese Leute jedoch in Schwierigkeiten; zum Beispiel wenn es zum Kollaps des Bankensektors kommt. Kein Grund zur Sorge. Unser Mann setzt eine Absichtserklärung für seine Freund auf, die sie dann unterschreiben. Im Gegenzug erhalten sie eine Milliarde Dollar, oder auch zwei - nein, klotzen nicht kleckern - zehn Milliarden. Und somit hat der Internationale Währungsfonds - der Rettungstrupp der Finanzszene - wieder einmal eine Katastrophe verhindern können. Ein typisches Beispiel für dieses Szenario ist die Türkei: Vergangene Woche sagte der Internationale Währungsfonds Ankara einen Soforthilfskredit in Höhe von 7,5 Milliarden Dollar zur Überwindung der Finanzkrise zu. Es heißt, die Hilfe sei gerade noch rechtzeitig gekommen, denn die akute Bankenkrise bedrohe die gesamte Wirtschaft im Lande, die zerbrechliche politische Balance und nicht zuletzt das internationale Finanzsystem. Angesichts dieser Konsequenzen drängt sich die Vermutung auf, mit 7,5 Milliarden Dollar könne man die Welt retten. Tatsächlich wird die Finanzspritze nichts weiter bewirken als einen weiteren Aufschub der für die Türkei so notwendigen Strukturreformen. Die Ursache für die Liquiditätskrise liegt auf der Hand. Seit Mitte der Neunziger Jahre sichert der Staat Bankeinlagen zu immerhin 100 Prozent ab. Trotzdem boten die Bankmanager großzügige Zinssätze an und setzten damit leichtfertig das Geld ihrer Kontoinhaber aufs Spiel. Das blieb nicht ohne Folgen: Unter den Privatbanken werden die Verluste heute auf sieben Milliarden Dollar geschätzt, bei den staatlichen Banken sogar auf 20 Milliarden Dollar - ohne Gewähr allerdings, denn die Buchführungsmethoden des maroden Bankensektors der Türkei sind dürftig. Doch das ist nicht alleinige Ursache. Noch immer ist es gängige Praxis, zur Finanzierung eines Projekts eine neue Bank zu gründen. Geht das Projekt dann den Bach runter, steht die Regierung dafür gerade. So kam es in den vergangenen Jahren zu einer regelrechten Privatisierungswelle im Bankensektor, gefolgt von einer Übernahmewelle des Staats - zur Zeit sind zwischen 40 Prozent und 50 Prozent der türkischen Banken verstaatlicht. Nun kann man freilich nicht behaupten, dass die Türkei in den letzten Jahren keinerlei Fortschritt gemacht hätte. Und der neue Kredit des Internationalen Währungsfonds zwingt den türkischen Staat immerhin dazu, große Aktienpakete an der staatlichen Fluglinie und der türkischen Telekom zu verkaufen. Das sind erste Schritte in die richtige Richtung. Aber sie gehen nicht weit genug. Wo liegt beispielsweise der Sinn im Verkauf von 33,5 Prozent der türkischen Telekom? Darüberhinaus ist eine Bankkommission eingesetzt worden, die gegen Korruption vorgeht. Und die größeren Privatbanken des Landes scheinen zurückhaltender bei Kreditvergaben geworden zu sein. Solange der Staat jedoch ständig in Belange der Wirtschaft eingreift, wird die Türkei die Krise kaum in den Griff bekommen. Die Türkei verdient Unterstützung, aber dies ist nicht der richtige Weg. Aus: "The Wall Street Journal", übersetzt und gekürtzt von Birte Heitmann. |