Frankfurter Rundschau, 11.12.2000 Likud ist am Zug Jetzt, da Barak den politischen Offenbarungseid geleistet hat, muss auch Israels Opposition Farbe bekennen Von Inge Günther Einfach aufgeben kommt für einen Ex-Generalstabschef wie Ehud Barak nicht in Frage. Selbst seinen Rücktritt hat Israels Premierminister wie einen Vorstoß angelegt, der ihm eine taktisch bessere Ausgangslage bescheren soll, um die Wählergunst wieder zu gewinnen. Eine Option mit hohem Risiko, aber real besehen war es die einzige, die Barak noch blieb. Den Israelis hat er damit immerhin einen langen Wahlkampf in konfliktreicher Lage erspart. Populistische Slogans wie "Lasst die Armee siegen" oder andere Kriegstrommeleien sind so wenigstens auf sechzig Tage begrenzt. Fünf Monate bis zum ursprünglich anvisierten Wahltermin wären wohl zu einem Schrecken ohne Ende geraten. Allerdings ist eines ziemlich kurz gedacht im Kalkül Baraks. Selbst wenn er erneut gewählt wird, bleibt der Zuschnitt der Knesset wie gehabt: unübersichtlich, antagonistisch, von widersprüchlichsten Klientelinteressen der Säkularen, Religiösen und Einwanderer geprägt und dazu von ihrer mehrheitlichen Abneigung, Friedenskompromisse zu schließen. Wichtiger aber ist noch, dass jetzt, da Barak den politischen Offenbarungseid geleistet hat, auch die Opposition Farbe bekennen muss. Egal ob der Likud-Kandidat Ariel Scharon oder Benjamin Netanyahu heißt - er ist dem Wähler eine Antwort darauf schuldig, wie und welches Abkommen mit den Palästinensern er sich vorstellt. Bislang hat die Rechte das gekonnt vermieden. Doch die meisten Israelis wollen zwar, dass ihr Staat keine militärische Schwäche zeigt, aber dennoch eine diplomatische Lösung. Sie sehnen sich nicht nach Krieg, sondern nach Frieden. |