Frankfurter Rundschau, 11.12.2000 Plädoyer für kürzere Asylverfahren Süssmuth diskutiert Pläne der Zuwanderungskommission Von Ursula Rüssmann (Mülheim a. d. R) In der von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) eingesetzten Zuwanderungskommission wird die Forderung nach kürzeren Asylverfahren lauter. Die Kommissionsvorsitzende Rita Süssmuth (CDU) sagte am Wochenende, solche Straffungen seien "ohne Qualitätsverlust möglich". Sie betonte zugleich, beim Umgang mit Flüchtlingen hier zu Lande sei "mehr Humanität möglich als wir bisher erreicht haben". "Erheblichen Aufklärungsbedarf" in Fragen von Flucht und Migration macht Süssmuth in der deutschen Öffentlichkeit aus. Sie bemängelte in der Evangelischen Akademie Mülheim das "Bild, das unsere Köpfe immer noch besetzt: Wir würden ,überflutet'". Dabei sei die Bundesrepublik mit nur noch 80 000 Asylanträgen pro Jahr keineswegs mehr das Aufnahmeland Nummer Eins in Europa. Dem "liberalen" Asyl-Artikel 16 im Grundgesetz stehe außerdem eine "sehr rigide Rechtspraxis" gegenüber, sagte die CDU-Politikerin vor rund 140 Ausländerrechtlern und haupt- und ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuern. Schnellere Asylentscheidungen hält sie dennoch für nötig, "damit Menschen nicht noch nach vielen Jahren Aufenthalt plötzlich zurückgeschickt werden müssen". Durch eine Umwandlung des Artikels 16 in eine institutionelle Garantie, wie sie die CSU bisher fordert, wäre das nach ihrer Auffassung nicht zu erreichen. Spielraum für Beschleunigungen sieht die Kommissionsvorsitzende vielmehr bei den Verwaltungsgerichten, die zur Informationsbeschaffung zu viel Zeit bräuchten. Flüchtlingsexperten fürchten jedoch, dass solche Änderungen zu Lasten der Flüchtlinge gehen. Der Münchner Asyl-Anwalt Hubert Heinhold warnte eindringlich davor, die Einspruchsfristen weiter zu beschneiden. Wolfgang Grenz, Asylreferent von Amnesty International, unterstrich, Flüchtlinge hätten "Anspruch auf eine faire Prüfung". Schuld an langen Verfahren seien zu hohe Beweisanforderungen der Gerichte. Süssmuth erhofft sich Entlastung für die Asylverfahren aber auch von großzügigeren Zuwanderungsregelungen. Die Politik müsse deutlicher hervorheben, dass Deutschland längst "ein faktisches Zuwanderungsland" sei und weitere Zuwanderung brauche, verlangte sie. Den Neuankömmlingen müsse vermittelt werden, dass sie willkommen seien - doch "das fällt uns Deutschen schwer". Skepsis signalisierte Süssmuth nach den mäßigen Erfahrungen mit der Green Card gegenüber festen Zuzugsquoten. Sie empfahl eine Entscheidung Baden-Württembergs anderen Ländern zur Nachahmung: Im Südwesten werden Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien nicht zurückgeschickt, sondern erhalten künftig ein Bleiberecht, wenn sie seit zwei Jahren einen Arbeitsplatz haben. Diese Regelung führt Süssmuth auf die Einwanderungsdebatte zurück, die erste Früchte trage. Die CDU-Politikerin sagte schließlich Kommissionsvorschläge für Probleme zu, die den Tagungsteilnehmern besonders unter den Nägeln brannten. Sehr hoch sei demnach die Not vor allem illegal hier lebender Menschen sowie vieler Flüchtlinge, die nicht in ihr Herkunftsland zurück könnten und seit Jahren nur mit befristeten Duldungen hier lebten. Sie sind von sämtlichen Integrationsprogrammen ausgeschlossen, wurde bemängelt. Der Dortmunder Migrationsforscher Peter Kühne forderte, nach drei Jahren Aufenthalt müssten Flüchtlinge ein sicheres Bleiberecht und unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Auch Süssmuth hält spätestens nach etwa drei Jahren eine Entscheidung für fällig: entweder Rückkehr oder staatlich geförderte Integration. Die Kommission will ihre Empfehlungen im Juni vorlegen. Dann sind Bundesregierung und Parlament am Zug. |