Süddeutsche Zeitung, 11.12.2000 Berlin klagt mit Deutschland tritt dem internationalen Strafgericht bei - die USA sträuben sich noch immer Für die amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ist es die "größte Enttäuschung des Jahres 2000". Ausgerechnet die USA, die weltweit auf die Menschenrechte pochen, widersetzen sich dem geplanten Internationalen Strafgerichtshof. Hardliner im Kongress drohen damit, den Staatenvertrag über den Gerichtshof zu zerreißen. Für die Anhänger einer Weltstrafjustiz gibt es jedoch auch eine gute Nachricht: Deutschland tritt dem Völkertribunal bei. Botschafter Dieter Kastrup wird die Ratifikationsurkunde am heutigen Montag bei den UN in New York hinterlegen. Die Bundesrepublik gehört seit langem zu den engagiertesten Verfechtern des Gerichtshofs. Er soll einmal weltweit Völkermörder und Kriegsverbrecher verfolgen, allerdings erst, wenn 60 Staaten sein Statut ratifiziert haben. Deutschland ist die Nummer 25. Knapp 120 Länder haben das Statut bereits unterzeichnet und damit zugesagt, dass sie das Weltgericht zumindest unterstützen werden. Menschenrechtler erwarten nun, dass der Schritt der Bundesrepublik dem Projekt einen kräftigen Schub gibt. Viele Staaten können sich im Windschatten Berlins ermutigt fühlen, gegen den erklärten Willen der Weltmacht USA beizutreten. Im Auswärtigen Amt hofft man darüber hinaus, sogar Washington selbst noch zum Umdenken zu bringen. Der deutsche Delegationsleiter in New York, Hans-Peter Kaul, einer der Väter des Weltgerichts, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Der Gerichtshof braucht die USA. Wir werden weiterhin nichts unversucht lassen, um sie an Bord zu bringen. Angst um Amerikas Soldaten Auch in den Vereinigten Staaten selbst wünschen dies viele, etwa die einflussreiche American Bar Association, der amerikanische Anwaltsverein. Die Befürworter des Gerichtshofs hoffen, dass Präsident Bill Clinton das Statut noch kurz vor seinem Abtritt unterzeichnen wird. Schließlich gehörte der Demokrat Clinton einst zu den Wegbereitern des Weltgerichts. Dem Pentagon und vielen Republikanern im Kongress ist das Tribunal jedoch viel zu unabhängig angelegt. Sie halten es für unerträglich, dass sich womöglich einmal auch US-Soldaten vor den Weltrichtern verantworten müssen. Falls der Republikaner George W. Bush neuer Präsident werden sollte, hätten die Feinde des Weltgerichts in Amerika wohl endgültig die Oberhand. Umso wichtiger wäre es, dass Clinton zuvor noch signiert. Denn dann wäre auch Bush festgelegt, selbst wenn der US-Kongress das Statut nie ratifizieren sollte. Nach der Wiener Vertragsrechts-Konvention verpflichtet sich ein Staat bereits mit der Unterzeichnung dazu, den Zweck eines Völkervertrages zu fördern. Wie immer die Sache in Washington auch ausgeht - aufzuhalten ist das Weltgericht nicht mehr. Alle amerikanischen Versuche, es zu schwächen, wurden bei den Verhandlungen in New York von einer großen Mehrheit der Staaten abgeschmettert. Selten stand Amerika auf internationaler Bühne so isoliert da. Von seinen engsten Verbündeten, den Nato-Staaten, haben alle außer der Türkei unterzeichnet. Und in Den Haag läuft bereits der Architektenwettbewerb für den Sitz des Völkertribunals. Stefan Ulrich |