junge Welt, 12.12.2000 Abschiebungen per Flugzeug bald nicht mehr möglich? jW sprach mit Jan Hoffmann, Mitglied einer Hanauer antirassistischen Gruppe (Hoffmann arbeitet auch im Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main und im bundesweiten Netzwerk "kein mensch ist illegal" mit) F: Mit der Demonstration am vergangenen Samstag ging die Kampagne gegen die "Deportation.Class" der Lufthansa weiter. Welches Resümee ziehen Sie für die bisherige Arbeit? Als Erfolg können wir verbuchen, daß die Lufthansa AG als Reaktion auf unsere Kampagne öffentlich erklärte, Abschiebungen gegen den Widerstand der sogenannten Deportees würden nicht mehr durchgeführt. Die Lufthansa- Piloten haben sich auch weitgehend daran gehalten. Die Folge ist unter anderem, daß die Abschiebebehörden in Fällen "renitenter" Deportees andere Fluggesellschaften beauftragen müssen, um Abschiebungen durchzuführen. Diese bieten meist keine Direktflüge in die Herkunftsländer an, so daß die Zwangspassagiere Zwischenstopps unter Umständen für einen "Notausstieg" nutzen können. F: Damit sind sie aber noch nicht sicher? Ein BGS-Verantwortlicher, ein gewisser Herr Ritter, berichtete bei einer Pressekonferenz im Sommer auf dem Frankfurter Flughafen, daß es bei solchen Umsteigeflügen auf Flughäfen in Drittländern oft nicht mehr weitergeht, weil die Piloten der Anschlußmaschine den Transport der Abzuschiebenden verweigern oder sogar die dortigen Polizeikräfte nicht mitspielen. Die anwesenden Presseleute wurden bei der Konferenz übrigens zur Nichtberichterstattung verpflichtet, daran haben sie sich offenbar gehalten. F: Mit Ihrer Aktion sprechen Sie aber auch das Flugpersonal an. Mit welchem Ergebnis? Als Erfolg sehe ich auch die Diskussion unter den Piloten. Mittlerweile gehen deren Rechtsexperten davon aus, daß ein Flugkapitän von vornherein verhindern muß, daß etwa Personen in Fesseln an Bord gebracht werden. Eine unmittelbare Folge unserer Aktionen ist die Erklärung der ÖTV bei ihrem Gewerkschaftstag im November, mit der sie ihre Vertreter im Aufsichtsrat der Lufthansa auffordert, sich dafür einzusetzen, daß die Lufthansa keine zur Abschiebung vorgesehenen Flüchtlinge mehr befördert. F: Wie war die Stimmung am Samstag? Die Demonstration war mit 400 bis 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wohl die bisher größte auf dem Flughafen; die Stimmung war sehr kämpferisch, und dementsprechend war die Demo sehr laut und unüberhörbar. F: Gab es Reaktionen der Fluggäste? Die Reaktionen waren wie immer gemischt, das geht von eher schweigender Ablehnung über Neugier bis zu offener Zustimmung, vor allem bei ausländischen Passagieren. F: Wie reagiert die Lufthansa auf die Proteste? Die Lufthansa hatte sehr schnell mit der eben erwähnten Erklärung reagiert, und darüber hinaus steht sie nach eigener Aussage mit dem Bundesinnenministerium über einen völligen Ausstieg aus dem Abschiebegeschäft in Verhandlungen. Über den Verlauf dieser Verhandlungen schweigt sie sich aus. F: Gibt es zum nun vorgebrachten Anliegen ?Gegen das Verschweigen der Opfer - für eine Gedenktafel am Frankfurter Flughafen? eine Reaktion von der Flughafen AG oder einer anderen Stelle? Die einzige konkrete Reaktion der Flughafen AG war ein kurzer Brief, in dem sie unsere Forderung nach der Gedenktafel aus "Gleichheitsgrundsätzen" ablehnt, ohne das näher zu erläutern. Darüber hinaus wird neuerdings versucht, die Demonstrationen auf dem Flughafengelände mittels Auflagen und Schadensersatzdrohungen an die Kandare zu nehmen. Interview: Thomas Klein
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