Neue Zürcher Zeitung, 13. Dezember 2000 Übergabe libanesischer Häftlinge durch Syrien Die Frage der Verschwundenen bereinigt? vk. Limassol, 12. Dezember Syrien hat am Montag 54 libanesische politische Gefangene, acht von ihnen palästinensischerHerkunft, an die Behörden des Zedernlands übergeben. In Damaskus hiess es dazu, dass nun mit Ausnahme von 75 gewöhnlichen Kriminellen keine Libanesen mehr in syrischen Gefängnissen verblieben. Damit will Syrien seinen üblen Ruf loswerden, es halte seit vielen Jahren Hunderte, wenn nicht Tausende von Libanesen aus politischen Gründen fest. Eine ähnliche Geste hattePräsident Asad gegenüber dem eigenen Volk gemacht, als er im November 600 Häftlinge amnestierte und das berüchtigte Gefängnis von Mezzeh,in einem Vorort von Damaskus, in ein Spital umzuwandeln befahl. Dadurch sind die mehreren tausend libanesischen Vermissten - die meisten verschwanden während des Bürgerkriegs - nicht wieder aufgetaucht. Nach Asads Plan müssten die Libanesen die Spuren nun ausschliesslich im eigenen Lande suchen. Besänftigung des maronitischen Klerus Weil sich seit dem von der Bischofssynode im September erlassenen aufrüttelnden Appell für einen baldigen Abzug der Syrer aus Libanon die lawinenartige Debatte in Beirut trotz allen Anstrengungen nicht eindämmen liess, suchte Präsident Asad auf Anregung seines libanesischenAmtskollegen Lahoud nach einer vertrauensbildenden Massnahme im Bereich der Gefängnisse. Tatsächlich ist eines der wirksamstenMachtmittel der syrischen Besetzer seit den Bürgerkriegsjahren die Angst der Libanesen, dass jemand rasch und für immer in Syrien verschwinden könne, der im Zedernland von den syrischenBesetzern verhaftet werde. Allein schon die Aussicht auf eine Geisterfahrt durch die verstecktenHaftanstalten nicht identifizierbarer Geheimdienste bis zum Auftauchen in einem gewöhnlichen syrischen Gefängnis, von wo auch die Angehörigen in Beirut benachrichtigt werden können, schreckte die Libanesen gehörig von Händeln mit den Syrern ab. Menschenrechtsgruppen warteten mit den entsprechenden Belegen und Listen von Vermissten auf. Als deshalb Präsident Lahoud letzte Woche die Verfügung Asads für die Übergabe sämtlicher libanesischer politischer Häftlinge bekanntgab, legten die Gefangenenhilfsorganisationen diverse Listen mit zwischen 168 und über 2000 Namen von Vermissten vor. Nächtliche Überführung in Handschellen Die Angehörigen, die sich am Montag früh schon zum Grenzübergang von Masnaa aufmachten, wurden freilich in ihrer Hoffnung auf eineAmnestie betrogen. Erst nach Einbruch der Dunkelheit brausten in zwei Bussen unter Militäreskorte, in Handschellen und zum Teil mit verbundenen Augen, die 54 Häftlinge vorbei, welchedie Syrer in Damaskus einer Abordnung libanesischer Sicherheitsoffiziere übergeben hatten. Für jeden der Gefangenen wurde ein Gerichtsdossier mitgegeben, das die Ermittlungsergebnisse und Urteilssprüche bezüglich ihrer ?antisyrischen Aktivitäten auf libanesischem Boden? enthält. InBeirut will die Justiz nun jeden Fall einzeln prüfen, um über Amnestierung oder Verbüssung der restlichen Strafe zu befinden.
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