12.12.00, Radikal, Yeni Gündem, Binyil
Radikal
Anzahl der Aktivisten steigt
Am 54. Tag Hungerstreik und Todesfasten politischer Gefangener gegen
die F-Typ-Gefaengnisse sind 26 Personen an die Grenze zum Tod gekommen.
Von 203 Todesfastenden sind 99 an einem "kritischen Punkt" angelangt,
die anderen haben sich der Gefahrengrenze genaehert. Den 8000 am HS beteiligten
PKK-Gefangenen haben sich 500 weitere politische Gefangene angeschlossen,
damit ist die Gesamtzahl von 9300 Aktivisten erreicht. (...)
Radikal
Sevgi Ince festgenommen
Sevgi Ince ist nach einem Besuch bei ihren Freunden im Gefaengnis Bayrampasa
am Ausgang festgenommen worden. Ince, die 4 Jahre lang mit 2 Kugeln in
der Naehe ihres Herzens im Gefaengnis war, wurde vom Staatsicherheitsgericht
Diyarbakir verurteilt und nach einem grossen Medienecho aus Gesundheitsgründen
vor 5 Monaten freigelassen. (...)
Yeni Gündem
Auch Esber im HS
Esber Yagmurdereli, der sich im Çankiri E-Typ Gefaengnis befindet,
hat einen unbefristeten HS begonnen. Yagmurderelis Anwalt Hakan Tekin
erklaerte, dass sein Klient ab heute zur Unterstützung des Todesfastens
in einen unbefristeten HS tritt. Tekin stellte weiterhin fest, dass Yagmurdereli
ernste gesundheitliche Probleme hat.
Yeni Gündem
Schneller Verkehr in Bayrampasa
Waehrend sich in Bayrampasa der Vermittlungsverkehr von neuem beschleunigt
hat, verkündet Justizminister Türk, dass die Regierung keine
weiteren Zugestaendnisse machen wird: "In unserer Entscheidung gibt
es keine Aenderung."
Unterdessen naehern sich die Todesfastenden Minute um Minute dem Tod.
Im Gefaengnis Bayrampasa fand ein Treffen zwischen Gefangenen und Mitgleidern
der Europaeischen Kommission zur Verhinderung von Folter (?) statt. (...)
Auch ein Treffen der Gefangenen mit Mitgliedern der parlamentarischen
Menschenrechtsuntersuchungskomission konnte keine Ergebnisse erzielen
(...)
Yeni Gündem
Aufstand drinnen und draussen
Die Erklaerung von Justizminister Türk, die Eröffnung der F-Typ-Gefaengnisse
zu verschieben, wird von den Angehörigen der Gefangenen als unzureichend
betrachtet. Die HS in verschiedenen Provinzen dauern an.
Istanbul.
- 13 AnwaeltInnen des Rechtsbüros des Volkes haben zur Unterstützung
ihrer sich im Todesfasten befindenen KlientInnen einen unbefristeten HS
begonnen. RA Remzi Kazman betonte in einer Erklaerung, dass die Forderungen
ihrer KlientInnen auch ihre eigenen Forderungen seien. (...) Weiterhin
brachte sie zum Ausdruck, dass sie die Erklaerung Türks zur Verschiebung
der Verlegungen in F-Typ-Gefaengnisse für nicht aufrichtig halte:
"Das Ziel des Ministers ist es, die Aufmerksamkeit, die durch das
Todesfasten geschaffen wurde, zu ersticken, Zeit zu gewinnen und zu manipulieren."
RA Nurhayat Isyapan, der sich seit 15 Tagen im HS befindet, kündigte
die Umwandlung ins Todesfasten an.
- Gemeinsam mit Angehörigen der Gefangenen führten GewerkschafterInnen
von Türk-Is, DISK und KESK im Stadtteil Bakirköy eine Sitzblockade
durch. (...)
- AnhaengerInnen der ÖDP protestierten gestern abend erneut auf der
Mis Sokak mit Transparenten wie "F-Typ bedeutet Tod" und "Könnten
Sie auf 8 qm leben?" sowie mit der Parole "Schweig nicht, schrei,
die Zellen sind der Tod!" (...)
- Gleichzeitig versammelten sich am Taksim eine Gruppe Angehöriger
von Gefangenen, die mit Transparenten und Parolen gegen die unnachgiebige
Haltung der Regierung protestierten. (...)
Ankara.
- Um 12.30 versammelten sich die Familien von Gefangenen auf der Sakarya
Caddesi, um erneut den Baustop der F-Typ-Gefaengnisse zu fordern. Sie
erklaerten, dass die Aktionen draussen bis zur Erfüllung der Forderungen
fortgesetzt werden.
Batman.
- Im Gebaeude der Hadep hat eine Gruppe von 15 Personen einen HS im zweitaegigen
Wechsel begonnen.
Diyarbakir.
- Eine Gruppe von 22 Angehörigen von Gefangenen hat im Gebaeude der
Hadep einen HS angefangen.
Mardin.
- Der HS im Hadep-Gebaeude zur Unterstützung der Todesfastenden im
zweitaegigen Wechsel dauert an. (...)
Manisa.
- Auf einer Versammlung der Hadep wurde der sofortige Verzicht auf F-Typ
gefordert.
Antep.
- Wegen der Schliessung der IHD-Zweigstelle wurde der am 1.12. von Gefangenfamilien
begonnene HS im Gebaeude der ÖDP fortgesetzt.
Mersin.
- Am 7.Tag des im Hadep-Gebaeude im 3taegigen Wechsel stattfindenden HS
von Angehörigen haben sich nach einer Gruppe von ÇHD-AnwaeltInnen
auch Studierende der Universitaet Mersin angeschlossen.
Yeni Gündem
Angriff auf Bereitschaftspolizei in GOP
Istanbul. In Gaziosmanpasa wurde ein bewaffneter Angriff von 3 unerkannt
bleibenden Personen auf einen Autobus der Bereitschaftspolizei durchgeführt.
Bei dem Vorfall starben 2 Polizisten, 11 wurden verletzt, 3 davon schwer.
Zu dem Anschlag bekannte sich bisher niemand.
Can Dündar und Oral Çalislar, die als Mitglieder einer Intellektuellen-Delegation
in den Gefaengnissen als Vermittler taetig sind, werteten den Angriff
auf die Polizisten als destruktiv in Hinsicht auf die Bemühungen,
das Todesfasten positiv zu beenden: "Wir wünschen uns, dass
dies nicht der Anfang erneuten Durcheinanders ist. Gleichzeitig hoffen
wir, dass daraus kein Angriff auf die Geschehnisse in den Gefaengnissen
entsteht." (...)
Auf einem Treffen der Vorsitzenden der Koalitionsparteien am gestrigen
Abend wurde der Angriff (...) ausgewertet. An dem Treffen nahmen ausserdem
Justizminister Sami Türk, Gesundheitsminister Osman Durmus sowie
Innenminister Sadettin Tantan teil. Nachdem nur kurz andauernden Treffen
antwortete Ecevit auf die Fragen von JournalistInnen "Gibt es im
Zusammenhang mit dem Vorfall den Namen einer Organisation?" und "Gibt
es einen Zusammenhang mit den Ereignissen von gestern?" (Anm.: Am
Vortag wurde dafs mutmassliche MLKP-Mitglied Özkan Tekin von Polizisten
beim plakatieren Anti-F-Typ-Plakate erschossen.) : "Stellen Sie den
Zusammenhang selbst her." Nachdem Ecevit erklaerte, dass die Entwicklungen
in den Gefaengnissen ebenfalls auf dem Treffen ausgewertet wurden, antwortete
er auf die Frage "Ist das Stoppen des Todesfastens Gespraechsthema?":
"Solange das Interesse der Öffentlickeit andauert, werden auch
die Aktionen fortgeführt werden."
Yeni Gündem
Yurdatapan im F-Typ
Sanar Yurdatapan, der wegen des Buches "Gedankenfreiheit 38"
verurteilt wurde und sich vor 3 Tagen der Staatsanwaltschaft gestellt
hat, wurde gestern in das F-Typ-Gefaengnis Kartal überstellt. (...)
Der Künstler wurde als Herausgeber des Buches wegen Verstoss gegen
den 155. Artikel des TCK zu 2 Monaten Haftstrafe verurteilt. Da ihm nach
dem Vollzugsgesetz die Zeitdauer, die er in Polizeigewahrsam verbracht
hat, auf die Haftstrafe angerechnet wird, muss er 24 Tage im Gefaengnis
bleiben.
Ausserdem urteilte das Gericht im von Yurdatapan angestrengten Entschaedigungsverfahren
gegen den Staat wegen seiner Festnahme am 3.9.97 auf eine Entschaedigung
von 250 Mio. Yurdatapan befand sich damals im Rahmen des Musa Anter Friedenszuges
mit einer Vielzahl auslaendischer PolitikerInnen und MenschenrechterInnen
im Mim Hotel in Sisli, wo eine Pressekonferenz stattfinden sollte. Im
Falle des Korrespondenten Faruk Aktas der inzwischen geschlossenen Tageszeitung
Ülkede Gündem, der bei dem gleichen Anlass festgenommen wurde,
entschied das Gericht, dass die Verhandlung in der Provinz, in der Aktas
gemeldet ist, stattfinden wird. Yurdatapans Anwalt Nesrin Keles Ulutürk
hat gegen den Entscheid Revision eingelegt.
Yeni Gündem
Massenhafte Kritik an der PUK
Insbesondere in Istanbul und Izmir, aber auch in weiteren Provinzen,
wurde die PUK mit verschiedenen Aktionen dazu aufgefordert, die Angriffe
zu stoppen.
In Istanbul fand eine Kundgebung vor dem Hadep-Gebaeude statt, die von
MKM, TUHAD und Göç-Der unterstützt und an der sich ca.
500 Personen beteiligten. (...)
Desweiteren versammelten sich abends im Stadtteil Bagcilar ca. 150 Personen,
in Kagithane weitere 50, um gegen die Angriffe der PUK zu protestieren.
Sie zündeten Feuer an und riefen Parolen wie "Nieder mit F-Typ"
und "Nieder mit dem Kollaborateur Talabani". In Kagithane gab
es 6 Festnahmen, weitere 4 Personen wurden in Ümraniye Çalmak
nach einer Protestkundgebung festgenommen. (...)
Binyil
Das eigentliche Problem ist das Vertrauen zur Regierung
Von Zülfikar Ali Aydin
Die Ankündigung von Justizminister Hikmet Sami Türk zur Verschiebung
der Inbetriebnahme der F-Typ-Gefaengnisse hat das Todesfasten nicht beendet.
Nur die Erklaerung, dass die Architektur der F-Typ-Gefaengnisse in eine
dem Grosszellensystem aehnelnde umgewandelt wird, kann die Todesfastenden
von ihrer Aktion abbringen. Keine andere Erklaerung kann sie überzeugen,
denn sie vertrauen der Regierung nicht. Und warum? Die Antwort auf diese
Frage liegt in der Nichteinhaltung des Protokolls von 1996, das nach dem
Tod von 12 hungerstreikenden Gefangenen unterzeichnet wurde. Die Gefangenen
sehen das so: "Wenn die Regierung damals nicht Wort gehalten hat,
warum sollte sie es jetzt tun?"
Tatsaechlich erreichte der HS von 1996 sein Ende, nachdem die Organisationsvertreter
und eine Delegation, in der sich u.a. Yasar Kemal, Zülfü Livaneli
und die Abgeordnete der inzwischen geschlossenen Refah Partei Mukadder
Basegmez befanden, ein Protokoll unterschrieben hatten. Der "Istanbul
Republik Hauptstaatsanwalt" (?) Ferzan Çitici hatte das Dokument
nicht unterschrieben, aber sein Wort gegeben, dass sich an die dortigen
Bestimmungen gehalten werde. Nach dem Protokoll sollten Besucher nicht
mehr festgenommen und am HS beteiligte Gefangene medizinische Behandlung
erhalten. Die Gefangenen, die in das Gefaengnis von Eskisehir verlegt
werden sollten - was der ursprüngliche Grund für die Aktionen
war - sollten in die von ihnen gewünschten Gefaengnisse kommen. Die
Verantwortlichen für die Ereignisse, bei denen im Gefaengnis von
Ümraniye 4, im Gefaengnis von Buca 3 Gefangene getötet wurden,
sollten verurteilt werden. Jedoch hat es weder die Vorfaelle in Buca noch
die Ümraniye betreffend jemals Verurteilungen gegeben. Besucher werden
nach wie vor oft festgenommen. Die gesundheitlichen Probleme der am Todesfasten
Beteiligten werden nicht beachtet, benötigte Vitamine nicht ausgehaendigt.
Darüber hinaus fanden Ereignisse statt, bei denen in Ulucanlar 10,
in Diyarbakir 12 Gefangene getötet wurden. Als letztes wurde dem
Gefangenen Veli Saçilik im Gefaengnis von Burdur bei einer Operation
mit einem Bagger ein Arm abgetrennt. Die Befragungen der an dem Vorfall
beteiligten Sicherheitskraefte führten zu keinem Ergebnis.
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