Frankfurter Rundschau, 14.12.2000 Istanbuler Polizisten gehen illegal auf die Straße öhl ATHEN, 13. Dezember. Unangemeldet und damit illegal haben am Dienstag rund 3000 Polizisten in Istanbul demonstriert. Tags zuvor waren bei einem mutmaßlich von linken Terroristen verübten Überfall auf einen Polizeibus zwei Beamte einer Spezialeinheit getötet und elf Polizisten teils schwer verletzt worden. Am Mittwoch gab es in weiteren Städten Polizei-Demonstrationen. Die Demonstranten vom Dienstag entfalteten vor dem Polizeipräsidium Spruchbänder, skandierten "Auge um Auge, Zahn und Zahn" und reckten ihre Dienstwaffen in die Höhe. Polizeichef Kazim Abanoz, der die wütenden Polizisten beruhigen wollte, wurde er niedergeschrieen. Auch später beim Begräbnis der Polizisten wurden Abanoz und Innenminister Sadettin Tantan ausgebuht. "Eine Pistole, die nicht schießen darf, ist wertlos", riefen die Demonstranten und forderten den Rücktritt von Ministerpräsidenten Bülent Ecevit. Der Protest galten auch dessen Gattin Rahsan, Initiatorin einer Amnestie, mit der 35 000 Häftlinge, vom Taschendieb bis zum Serienmörder, frei kommen sollen. Die Polizisten erbost nicht nur, dass der Staat Schwerverbrecher auf freien Fuß setzt, für Unmut sorgt vor allem, dass der Straferlass für Polizisten, die wegen Foltervergehen einsitzen, nicht gelten soll. Nach Ansicht von Beobachtern entlud sich in Istanbul nicht nur der Frust einer unterbezahlten Polizeitruppe, die wegen ihrer Brutalität gefürchtet ist, die Demonstration zeigte auch die wachsende Politisierung der so genannten Sicherheitskräfte. Rechtsextremes und nationalistisches Gedankengut ist bei der Polizei weit verbreitet. In den 70er Jahren bekam sie starken Zulauf von der neofaschistischen Kampforganisation Graue Wölfe. Tolerant zeigt sich die Polizei, wenn, wie am Dienstag in Ankara, Nationalisten Steine werfen. Sie sieht weg. Mit Härte dagegen geht sie, wie sich am Montag ebenfalls in Ankara zeigte, gegen linke Demonstranten vor.
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