junge Welt, 15.12.2000 Gefangenen-Aktivist erstochen Aktionen gegen Isolationshaft in der Türkei in Visier der "Grauen Wölfe" Der Hungerstreik mehrerer hundert Gefangenen in der Türkei hat ein erstes Todesopfer gefordert. Allerdings starb Cafer Dereli nicht in einem türkischen Gefängnis. Der in Belgien lebende Migrant aus der Türkei wurde am vergangenen Wochenende in der Rotterdamer Innenstadt von türkischen Faschisten erstochen. Wie in vielen anderen europäischen Städten unterstützen auch in der holländischen Hafenstadt seit geraumer Zeit türkische Linke in einem Zelt den Gefangenenwiderstand in der Türkei mit einen Solidaritätshungerstreik. Wiederholt wurden die Aktivisten von Mitgliedern der "Grauen Wölfe" attackiert. Die Linksaktivisten erheben nun schwere Vorwürfe gegen die holländische Polizei. Obwohl sie ständig in unmittelbarer Nähe der Hungerstreikenden postiert gewesen sei, hätten sich die Beamten drei Stunden Zeit gelassen, bevor sie mit Ermittlungen am Tatort begonnen hätten. Das ?Komitee gegen Isolationshaft? (IKM) macht zudem den türkischen Staat für den Tod von Dereli mit verantwortlich. Schließlich ist die den "Grauen Wölfen" nahestehende rechtsradikale MHP Teil der Regierungskoalition in Ankara. Die Hamburger IKM- Sprecherin Selda Delgiz verweist darauf, daß ebenfalls am Sonnabend in einem Istanbuler Armenviertel ein Jugendlicher von der Polizei erschossen wurde, als er Solidaritätsplakate für die Hungerstreikenden klebte. Währenddessen machen auch in der Türkei MHP und andere rechte Gruppen gegen die Gefangenen und die Solidaritätsbewegung mobil. So wurde am Dienstag eine Solidaritätsdemonstration mit den Gefangenen von den "Grauen Wölfen" angegriffen und anschließend von der Polizei brutal niedergeknüppelt. Beobachter sprachen von zahlreichen Schwerverletzten und Festnahmen. In Istanbul marschierten am Mittwoch mehr als 3 000 Polizisten in Uniform auf, um gegen jeglichen Kompromiß in der Gefangenenfrage mobilzumachen und die Position der Ultrarechten in der Regierung zu stärken. Die rechte Offensive ist eine Antwort auf die innenpolitische Unterstützung, die die Forderung der hungerstreikenden Gefangenen in den letzten Tagen erfahren hatte. Führende Intellektuelle begannen in mehreren türkischen Städten mit Solidaritätshungerstreiks und boten ihre Vermittlung in dem Konflikt an. Schließlich haben sich die Ärztekammer sowie verschiedenen linke Parteien mit den Forderungen der Gefangenen solidarisiert. Auch im Ausland nimmt die Unterstützung weiter zu. So wollen in Spanien kommunistische Gefangenen am 20. Dezember in einen einwöchigen Solidaritätshungerstreik treten. Politische Häftlinge in anderen Ländern rufen sie auf, sich an der Aktion zu beteiligen. Entgegen anderslautenden Meldungen in der Presse geht der Hungerstreik und das Todesfasten in der Türkei weiter. Die Gefangenen erklärten nachdrücklich, daß sie ihre Aktion nur beenden, wenn die Regierung alle Pläne zur Einführung der Isolationsgefängnisse endgültig aufgibt. Peter Nowak
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