Süddeutsche Zeitung 16.12.2000 Intervention Clintons erfolglos Türkei blockiert Nato-Kompromiss zur EU-Truppe Ankara sperrt sich gegen eine generelle Nutzung der Einrichtungen der Allianz durch die Europäer / Von Udo Bergdoll Brüssel - Die Europäische Union und die Nato haben ihren Dissens über die künftige Zusammenarbeit in der Militärpolitik noch immer nicht überwinden können. Beim Herbsttreffen der Außenminister der Allianz in Brüssel blieb offen, ob die Eingreiftruppe der Europäer auf Planungskapazitäten des Nato-Hauptquartiers zurückgreifen und von dort geführt werden darf. Die Türkei blockierte weiter Vereinbarungen, nach denen die EU nicht nur von Fall zu Fall, sondern generell durch die Nato unterstützt wird. Die Außenminister der Allianz und der EU trafen sich am Freitag trotz dieses Streits erstmals zu einem gemeinsamen Abendessen. Damit sollte der Wille bekundet werden, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu überwinden. Zuvor war der Nato-Russland-Rat zusammengetreten. Die Türkei fordert die Beteiligung an Entscheidungen der EU über den Einsatz der Eingreiftruppe, die sich die 15 aber vorbehalten wollen. Mehrere Interventionen der USA, die bisher Ankara unterstützten, blieben erfolglos. Sowohl Präsident Bill Clinton als auch Außenministerin Madeleine Albright konnten die Türken nicht dazu bewegen, ihre Blockade aufzugeben. Die Amerikaner wollen verhindern, dass die Europäer sich mit eigenen Planungsstäben von der Nato abkoppeln. Gibt Ankara nicht nach, bliebe der EU nichts anderes übrig, als parallele Strukturen aufzubauen. Nur Frankreich hält dies ohnehin für notwendig. Der russische Außenminister Igor Iwanow kam aus Cuba zum Treffen mit den Nato-Kollegen. Schon vor seiner Ankunft war signalisiert worden, dass man nunmehr bereit sei, das von der Nato gewünschte Informationsbüro in Moskau zu akzeptieren. Dieses Büro, über das acht Monate verhandelt worden war, soll der belgischen Botschaft in der russischen Hauptstadt angegliedert und von Diplomaten betrieben werden. Dagegen sperrt sich der Kreml noch immer gegen die Einrichtung einer Militärmission der Nato in Moskau. Es werden Bedingungen gestellt, die als Kontrolle der Aktivitäten der Mission verstanden werden könnten. Die Allianz wertete die Teilnahme Iwanows am Nato-Russland-Rat und die grundsätzliche Verständigung über das Informationsbüro als Fortschritt. Sie ist sich aber bewusst, dass Moskau auf Abstand bleiben will. Nato-Generalsekretär George Robertson sagte über das Abendessen der 23 Außenminister der Nato und der EU, ein solches Ereignis sei vor einigen Monaten noch undenkbar gewesen. Die beiden Organisationen mit Sitz in Brüssel haben erst offiziell voneinander Kenntnis genommen, seit die EU ihre Verteidigungsinitiative zu entwickeln begann. Verträge existieren noch nicht. Die meisten der Minister der Union vertreten beide Organisationen. Von den Nato-Mitgliedern gehören nur Norwegen, Island, Polen, Ungarn, Tschechien, die USA und Kanada sowie die Türkei nicht der EU an. Österreich, Finnland, Schweden und Irland sind Mitglieder der EU, nicht aber der Nato. Das Treffen, von Robertson als "Arbeitsessen" eingestuft, fand an neutralem Ort in Brüssel statt.
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