Frankfurter Rundschau 16.12.2000 Beim Kontakt zu Palästinensern hat Barak vor allem die Wahl im Blick Trotz eines erneuten Treffens bleiben Zweifel, ob eine Friedenslösung für den Nahen Osten bald gelingen kann Von Inge Günther (Jerusalem) Hinter den Kulissen der Nahost-Diplomatie loten die Konfliktparteien Optionen im Friedensprozess aus. Vor allem ein nächtliches Treffen zwischen Palästinenserpräsident Yassir Arafat und Israels Außenminister Schlomo Ben-Ami am Gaza-Grenzpunkt Eres nährte am Freitag Spekulationen über eine eventuelle Friedenslösung. Der israelische Rundfunk berief sich auf ungenannte Quellen, wonach beide Seiten eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche in den USA erwägen. Auch der französische Außenminister Hubert Védrine sprach nach einer Unterredung mit Israels Premier Ehud Barak sibyllinisch davon, dass Bewegung in die Sache gekommen sei. Beobachter freilich nahmen es mit Skepsis auf, auch wenn Ben-Ami den Gesprächsverlauf mit Arafat als "sehr gut" beschrieb und die Suche nach einem Verhandlungsarrangement ein "zionistisches Ziel von höchster Priorität im Staate Israel" nannte. Zu stark sind die Zweifel, dass die rund 50 verbleibenden Tage bis zum geplanten Neuwahltermin in Israel ausreichen, um ein Abkommen oder auch nur einen Rahmenvertrag zwischen beiden Seiten zu erzielen - zumal es am Freitag nach den Gebeten in Jerusalem wieder Auseinandersetzungen gab. Ebensowenig ist der Verdacht von der Hand zu weisen, Barak gehe es vornehmlich um eine Verbesserung seiner bislang als gering eingeschätzten Wahlchancen. Vielleicht, analysierte Haaretz, dienten die Hinweise aus israelischen Regierungskreisen über "geheime Kontakte" nur dazu, die Linke zu überzeugen, "dass Barak besser als jeder andere versteht, wie man Frieden macht". Schließlich würden nicht wenige der politischen "Tauben" derzeit gerne Schimon Peres, der eindeutig mit dem Friedensprozess identifiziert wird, als dritten Kandidaten im Rennen um den Premierposten sehen. Auch hat der palästinensische Parlamentssprecher Abu Ala - wie Peres einer der "Osloer Architekten" - betont, man werde keineswegs Baraks Wahlhelfer spielen. Was Israel bislang anbiete, sei nicht substanziell genug. Immerhin, andere Offizielle in Arafats Autonomie-Regierung halten mit Verweis auf "ein paar neue Ideen" die Gespräche für lohnenswert. Demnach soll Barak seine Bereitschaft signalisiert haben, den Palästinensern in den Konfliktpunkten "Jerusalem" und "Siedlungen" entgegenzukommen, falls die im Gegenzug einwilligten, die nicht minder brisante Frage nach dem Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge zu vertagen. Dass Barak mit Arafat wieder ins Verhandlungsgeschäft kommen möchte, zeigt auch die von ihm angewiesene Lockerung der Sanktionen, die nach Beginn der neuen Intifada gegen die Autonomiegebiete verhängt wurden. So sollen jetzt erstmals wieder 16 000 Palästinenser - soweit sie älter als 35 Jahre sind und sich einer peniblen Sicherheitsprüfung unterziehen - eine Arbeitserlaubnis in Israel erhalten. All das verfolgt mit gespanntem Interesse US-Präsident Bill Clinton, der noch auf einen Verhandlungsdurchbruch hofft. Nachfolger George W. Bush signalisierte bereits, sich nicht persönlich in die Nahost-Turbulenzen verwickeln zu wollen. Besorgt äußerte sich auch Arafat, dass der künftige Chef im Weißen Haus sich weniger engagiert als Clinton erweisen werde. Was Israel anlangt, macht es allerdings nach palästinensischer Überzeugung kaum einen Unterschied, ob es weiterhin von Barak oder seinem stärksten Herausforderer, dem rechten Likud-Mitglied Benjamin Netanyahu, regiert wird. Letzterer, so heißt es, sei wegen seiner geringen internationalen Reputation gar leichter unter Druck zu setzen.
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