Frankfurter Rundschau, 19.12.2000 Kirchen fordern Zurückhaltung bei Rüstungsexport Kritik an "erheblichem Aufwärtstrend" bei Waffenlieferungen / Bundesregierung Widersprüche vorgehalten Von Karl-Heinz Baum Die beiden großen Kirchen in Deutschland fordern von der Bundesregierung, beim Rüstungsexport Entwicklung und Menschenrechte vor wirtschaftliche und militärische Interessen zu stellen. BERLIN, 18. Dezember. "Wir möchten Bewusstsein beeinflussen und verändern", sagte der Vorsitzende der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), Stephan Reimers von der Evangelischen Kirche in Deutschland, am Montag in Berlin. Die Konferenz, der beide Kirchen angehören, nannte es in ihrem 4. Jahresbericht zum Rüstungsexport "besonders fragwürdig", dass 1999 von Deutschland aus Kleinwaffen mit Munition auch in Länder geliefert wurden, "in denen die Menschenrechte nicht geachtet werden und die in inneren Konflikten stehen". Auch wenn der Wert dieser Kleinwaffen nur 22 Millionen Mark betrage, könne er nicht über Gefahren hinwegtäuschen, die davon ausgingen. Selbst gelieferte Jagd- und Sportwaffen würden womöglich bei internen Konflikten verwendet. Die Willensbekundungen von Rot-Grün gegen die Verbreitung von Kleinwaffen und Munition stünden jedenfalls im Widerspruch zu den tatsächlichen Zahlen im Bericht der Bundesregierung. Die Konferenz der Kirchen verweist darauf, dass der Wert deutscher Ausfuhren allein von Kriegswaffen 1999 bei 2,8 Milliarden Mark gelegen habe. Im Jahr davor habe dieser Export noch weniger als die Hälfte (1,3 Milliarden) betragen. Insgesamt sei das Volumen der genehmigten Rüstungsexporte von 5,4 Milliarden Mark 1998 auf 6,6 Milliarden Mark im darauffolgenden Jahr gestiegen. Wichtigste Empfängerländer seien Israel und die Türkei. Die Konferenz empfiehlt, künftig den Export von Rüstungsgütern nur sehr zurückhaltend zu genehmigen. Diese defensive Haltung sei besonders wichtig, weil mit der anstehenden Umstrukturierung der Bundeswehr schon bald erhebliches militärisches Altmaterial anfallen dürfte. Die Kirchen fürchten "einen neuerlichen Schub" bei deutschen Rüstungsexporten. Die Leitlinie müsse heißen: "Vor allem verschrotten und nicht verkaufen!" Als positive Entwicklung lobt der Jahresbericht die "Politischen Grundsätze" der Bundesregierung zum Rüstungsexport vom Januar 2000. Würden sie restriktiv ausgelegt, könnten sie bei der Ausfuhr von Waffen bremsen. Die Konferenz würdigte auch, dass die Regierung im September erstmals einen eigenen Bericht zum Rüstungsexport vorlegte. Danach steht Deutschland mit einem 6,5 Prozent-Anteil am Welthandel an fünfter Stelle hinter den USA, Frankreich, Russland und Großbritannien. Kritisch vermerken die Kirchen, dass für Folterungen geeignete Waffen und Geräte im Regierungsbericht nicht erwähnt werden. |