web de 19.12.2000 11:13 Sturm von türkischen Gefängnissen sollte Hungerstreik brechen Häftlinge wehren sich - Offenbar mehrere Tote Ankara (AP) Soldaten in der Türkei haben am frühen Dienstagmorgen 20 Gefängnisse gestürmt, um den Hungerstreik von rund 200 politischen Gefangenen zu beenden. Dabei kamen offenbar mindestens drei Häftlinge ums Leben. Die Gefangenenhilfsorganisation Ozgur Tayad berichtete, zwei Häftlinge seien in Canakkale und Bursa ums Leben gekommen. Häftlinge hätten sich angezündet, als sie erkannt hätten, dass ihre Zellen gestürmt werden. Das Justizministerium teilte mit, ein Gefangener in Istanbul sei gestorben, nachdem er sich angezündet habe. Häftlinge in zwei Istanbuler Gefängnissen hätten sich gewaltsam gegen das Eingreifen der Soldaten gewehrt, gab das Innenministeriums in Ankara an. Die Soldaten durchbrachen Berichten zufolge Wände, um die Gefangenen zu überwältigen. Aus dem Bayrampasa-Gefängnis in Istanbul seien Schüsse zu hören gewesen, berichtete der Fernsehsender NTV. Über der Anstalt stiegen Rauchwolken auf. Auch im Gefängnis von Ceyhan brach den Berichten zufolge ein Brand aus. Mehrere Häftlinge in verschiedenen Gefängnissen seien verletzt worden, meldete die Nachrichtenagentur Anatolia. Die linksgerichteten Häftlinge verweigern seit 61 Tagen die Nahrungsaufnahme, um die Verlegung aus großen Zellen mit bis zu 100 Gefangenen in Einzel- oder Dreimannzellen zu verhindern. In den kleineren Zellenkomplexen sei die Gefahr von Folterungen größer, erklärten sie. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen ist Folter in türkischen Gefängnissen üblich. Vor vier Jahren hungerten sich zwölf Insassen zu Tode, woraufhin die Regierung ihren Plan für die Verlegung der politischen Gefangenen aufgab. Von den jetzt hungerstreikenden Gefangenen sind Berichten zufolge mindestens 20 in lebensbedrohlichen Zustand. «Man kann vom Staat nicht erwarten, dass er zusieht, wie die Menschen sterben», rechtfertigte Justizminister Hikmet Sami Türk die Stürmung der Gefängnisse. Viele der in Krankenhäuser gebrachten Gefangenen verweigern nach Angaben des türkischen Ärzteverbands allerdings medizinische Hilfe. |