yahoo.com, 20. 12. 2000, 10:05 Uhr

Türkische Polizei kündigt Sturm auf zwei Gefängnisse an

Istanbul (Reuters) - Türkische Sicherheitskräfte haben am Mittwochmorgen mit gepanzerten Fahrzeugen und Bulldozern zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden ein Istanbuler Gefängnis gestürmt, das sich in der Hand von Gefangenen befindet. Die Sicherheitskräfte seien vor Anbruch des Tages in die Strafanstalt Umraniye in Istanbul vorgedrungen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anatolien. Am Vortag waren beim Sturm auf 20 Gefängnisse im ganzen Land nach offiziellen Angaben 17 Menschen ums Leben gekommen, darunter 15 Häftlinge. Die Sicherheitskräfte sollen einen wochenlangen Hungerstreik von Gefangenen beenden, die damit gegen eine geplante Gefängnisreform protestieren.

Umraniye befinde sich in der Hand politisch linker Gefangener, meldete die Nachrichtenagentur. Dieses Gefängnis und eine Haftanstalt in Canakkale im Westen des Landes sind die letzten beiden unter den 20 gestürmten Gefängnissen, über die die Sicherheitskräfte noch nicht die Kontrolle ausübten. Offenbar gab es auch in Istanbul die meisten Opfer. Im Gefängnis Bayrampasa kamen nach Angaben des Istanbuler Generalstaatsanwalts Ferzan Citici zwölf Gefangene ums Leben. Die 15 Häftlinge starben nach Angaben des Justizministeriums, nachdem sie sich selbst in Brand gesetzt hätten. Bei den Auseinandersetzungen seien zudem zwei Polizisten getötet worden.

Die Sicherheitskräfte trafen teilweise auf bewaffneten Widerstand. 78 Gefangene wurden am Dienstag zudem verletzt. Mehr als 500 Hungerstreikende seien zur Behandlung in Krankenhäuser gebracht worden, sagte Justizminister Hikmet Sami Türk.

Der Einsatz am Dienstag war der härteste Schlag gegen die Gefangenen seit Jahren. Dabei setzte die zu den Streitkräften gehörende Polizei Tränengas und Hubschrauber ein. Mit den Hungerstreiks und Selbstverbrennungen protestieren die Häftlinge unter anderem gegen ihre Verlegung in kleine Zellen, weil sie dort den Übergriffen der Bewacher wehrloser ausgeliefert seien. Die Regierung begründet die Reform damit, dass die Macht krimineller und extremistischer Gruppen in den überfüllten Anstalten gebrochen werden müsse.