web.de 20.12.2000 15:29 Istanbul (AP) Auch am zweiten Tag ihrer Aktion gegen die hungerstreikenden Häftlinge in 20 Gefängnissen ist es dem türkischen Militär nicht gelungen, den Widerstand vollständig zu brechen. In den beiden Haftanstalten von Canakkale und dem Istanbuler Stadtteil Umraniye leisteten die Insassen am Mittwoch weiter erbitterte Gegenwehr. Trotzdem blieb die Regierung hart. Justizminister Hikmet Sami Türk forderte die Gefangenen zur Aufgabe auf. Es sei Zeit, den sinnlosen Widerstand zu beenden, durch den die Häftlinge nichts erreichen würden, sagte Türk. In Canakkale rückten die Soldaten mit schwerem Gerät an, um Wände zu durchbrechen, hinter denen sich Gefangene verbarrikadiert hatten. Doch gelang es den Häftlingen immer wieder, sich in andere Teile der Haftanstalt zurückzuziehen und sich dem Zugriff der Soldaten zu entziehen. Nach Canakkale und Umraniye wurden immer mehr Verstärkungen gebracht. Bis zum frühen Mittwochmorgen war es den Streitkräften und der Polizei gelungen, 18 der 20 bestreikten Gefängnisse in ihre Gewalt zu bringen. Dabei wurden nach Angaben der Behörden 18 Insassen getötet. 78 Häftlinge wurden verletzt. Der türkische Menschenrechtsverband stellte die offiziellen Zahlen in Frage. Der Gefangenenhilfeorganisation Özgür Tayad zufolge wurden am Dienstag 37 Häftlinge getötet. Einige wenige hätten sich selbst angezündet, um sich nicht ergeben zu müssen, hieß es. Bürgerrechtler befürchteten weitere Tote. Ministerpräsident Bülent Ecevit sprach trotz des anhaltenden Widerstands in Canakkale und Umraniye von einem wichtigen Erfolg. «Wir haben die Gefängnisse von den Terroristennestern gesäubert», sagte Ecevit. Die Militäraktion habe bewiesen, dass die meist linksgerichteten Gefangenen «gegen den türkischen Staat nicht gewinnen können». 821 streikende Gefangene seien in Krankenhäuser gebracht worden, teilte die Regierung mit. Hunderte Häftlinge seien in neuen Zellen untergebracht worden. Die streikenden Gefangenen hatten diese Verlegung aus Gefängnissen mit schlafsaalähnlichen Unterkünften in Anstalten mit Einzel- oder Dreierzellen verhindern wollen. In kleinen Zellen fürchten sie, stärker Misshandlungen und Willkür des Wachpersonals ausgesetzt zu sein. Hilfsorganisation besorgt Unterdessen protestierten im ganzen Land zahlreiche Menschen gegen die Stürmung der Gefängnisse. Hunderte wurden festgenommen. Bestürzt und besorgt hat sich die Hilfsorganisation Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) über die Aktion des türkischen Militärs geäußert. Das Recht der Gefangenen auf Leben gehöre zu den grundsätzlichen Menschenrechten und müsse absoluten Vorrang haben, hieß es in einer Stellungnahme des IPPNW.
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