Frankfurter Rundschau, 22.12.2000 Peres' Absichten stellen Israels Linke vor eine Zerreißprobe Meretz-Partei drängt den Ex-Premier zum Dialog mit Amtsinhaber Barak / Clinton schaltet sich in Friedensgespräche ein Von Inge Günther (Jerusalem) Die linke Meretz-Partei hat sich am Donnerstag bemüht, den großen Zwist im israelischen Friedenslager abzuwenden. Bevor sie Schimon Peres als eigenen Kandidaten ins Rennen um das Premiersamt schicken könne, sollte der noch ein letztes Mal versuchen, mit Regierungschef Ehud Barak ins Reine zu kommen. Beide gehören der sozialdemokratischen Arbeitspartei an. Schließlich komme es mehr als je zuvor bei dieser Wahl auf die Bündelung der Kräfte an, empfahl der "Rat der Weisen" von Meretz vor einer Entscheidung zur Nominierung von Peres, die bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe dahinstand. Dem Gremium gehören neben Vorstandsmitgliedern der Partei moralische Autoritäten wie der Schriftsteller Amos Oz an. Auch eine Reihe einflussreicher Bürgermeister hatte in einem dringlichen Appell davor gewarnt, das linke Lager zu spalten. Der erhoffte volle Rückhalt der zehn Meretz-Abgeordneten, die der 77 Jahre alte Friedensnobelpreisträger brauchte, um bis Mitternacht seine Bewerbung einzureichen, schien völlig ungewiss. Vor allem vom Ausgang des Gesprächs zwischen Barak und Peres wollte die Meretz-Fraktion ihre Entscheidung abhängig machen. In Meretz hat Peres allerdings starke Fürsprecher, die dafür eintreten, dass er, der "Architekt" des Osloer Abkommens, wieder eine führende Rolle in Verhandlungen mit den Palästinensern spielt. Entsprechend wurde Druck auf Barak gemacht, der seine Bereitschaft signalisierte, Peres, dem alten Labour-Parteirivalen, entgegenzukommen. Peres bestätigte, dass ihm der Job des Chefvermittlers im Friedensprozess angeboten worden sei. So leicht ließ er sich dennoch nicht von seinem Wunsch abbringen, noch einmal die Macht im Staate Israel zu erobern. Die Chancen, den rechten Herausforderer, Likud-Boss Ariel Scharon, zu schlagen, beharrte er, "sind mit meiner Kandidatur größer". Vertraut man den Demoskopen, liegt Peres vor Barak und könnte in einer zweiten Wahlrunde ebenso Oppositionsführer Scharon besiegen. Ihr Hoffnungsträger stellt Israels Linke vor eine Zerreißprobe. So warben bekannte Protagonisten der "Frieden Jetzt"-Bewegung in einer Haaretz-Anzeige für Peres. Er gilt als einer, der eher als Barak Stimmen der arabischen Minderheit holen könnte. Andere hoben hervor, dass ein dritter Kandidat die Geschlossenheit des Friedenslagers gefährde. Die aber sei unverzichtbar, um den Friedensgegner Scharon zu verhindern und Baraks neuen Kompromissversuch mit PLO-Chef Yassir Arafat nicht zu vereiteln. Zwar hat Peres beteuert, falls dem Premier tatsächlich ein solcher Kompromiss bis zum 20. Januar, dem Amtsende von US-Präsident Bill Clinton, gelinge, könne er dann immer noch auf seine Kandidatur verzichten. Doch warnte Barak im Gegenzug Meretz-Chef Yossi Sarid, es sei ihm unmöglich, den Friedensprozess voranzutreiben, wenn er daheim zugleich an zwei Fronten kämpfen müsse - gegen Peres und Scharon. Clinton legte ergänzenden Agenturberichten zufolge bei einem Treffen mit israelischen und palästinensischen Unterhändlern erstmals die Grundzüge eines Friedensabkommens zwischen beiden Konfliktparteien vor. Nach israelischen Berichten verlangt es weit reichende Zugeständnisse beider Seiten. Danach basieren die Vorschläge auf den Ergebnissen des Nahostgipfels in Camp David, der am 25. Juli zunächst abgebrochen wurde. Als Zieldatum für eine Einigung setzt das Konzept den 10. Januar. Der israelische Außenminister Schlomo Ben-Ami sagte im Rundfunk, die israelische Regierung könne "mit den meisten Vorschlägen leben".
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