Süddeutsche Zeitung, 23.12.2000 Nach viertägigen Zusammenstößen Häftlingsrevolte in der Türkei beendet Polizei stürmt letztes Gefängnis in Istanbul / Mindestens 23 Tote insgesamt Ankara (AFP) - Türkische Sicherheitskräfte haben am Freitag auch das letzte von hungerstreikenden Häftlingen besetzte Gefängnis unter ihre Kontrolle gebracht. Mindestens 16 Insassen des Istanbuler Ümraniye-Gefängnisses seien in Krankenhäuser gebracht worden, einige von ihnen mit Verbrennungen, meldete die Nachrichtenagentur Anadolu. Damit ging der am Dienstag gestartete Angriff auf insgesamt 20 Haftanstalten zu Ende, meldete der türkische Sender NTV unter Berufung auf das Innenministerium. Laut NTV waren zuvor paramilitärische Einheiten in das Gebäude eingedrungen, in das Bulldozer bereits große Löcher gerissen hatten. Mehr als 400 Insassen hatten sich in den Schlafsälen verbarrikadiert. Laut Justizminister Hikmet Sami Türk hatten die Gefangenen es mit Parolen wie "Sieg oder Tod" abgelehnt, sich zu ergeben. Wie der Justizminister weiter mitteilte, hatte sich ein Gefangener "befreien" können und sich den Sicherheitskräften gestellt. Seinen Aussagen nach hatte eine Gruppe von 45 Gefangenen ihre Mitinsassen zum Weitermachen gezwungen. Am Nachmittag ergaben sich dann laut NTV nach und nach die anderen Häftlinge. Ümraniye war das letzte der 20 aufständischen Gefängnisse, das die türkischen Polizeieinheiten noch nicht unter ihre Kontrolle bringen konnten. Seit Dienstag waren im Rahmen der "Rückkehr zum Leben" getauften Aktion bereits die Proteste der Häftlinge in 19 anderen Haftanstalten niedergeschlagen worden. Dabei kamen nach amtlichen Angaben 21 Gefangene und zwei Polizisten ums Leben, mindestens 90 Menschen wurden verletzt. Die Zahl von 23 Toten wurde von türkischen Menschenrechtsgruppen allerdings stark angezweifelt. Die linksgerichteten Häftlinge hatten mit ihrem Hungerstreik gegen den Plan der Regierung protestiert, in neuen Haftanstalten die Zellen nur mit ein bis drei Personen zu belegen. Bisher sind Schlafsäle mit bis zu 60 Gefangenen normal. Die Häftlinge befürchten Übergriffe von Aufsehern in kleinen Zellen. |