Kölner Stadt-Anzeiger, 23.12.2000 Offiziell schon 26 Tote Gefängnisrevolte in der Türkei niedergeschlagen Ankara - Die türkischen Streitkräfte haben am Freitag auch das letzte von hungerstreikenden Häftlingen besetzte Gefängnis unter ihre Kontrolle gebracht. 430 Aufständische ergaben sich, nachdem die Soldaten Löcher in das Dach der Anstalt geschlagen und Tränengasgranaten hineingeworfen hatten. Das Innenministerium erklärte, dass drei Leichen von Häftlingen entdeckt worden seien, ein weiterer sei im Krankenhaus gestorben. Vier Insassen seien bei Gefechten in der Anstalt Umraniye ums Leben gekommen. Damit stieg die Zahl der Todesopfer der Revolte auf 26. Die Gefangenenhilfeorganisation Özgür Tayad schätzte die Zahl jedoch wesentlich höher. Auch zwei Soldaten kamen ums Leben; 102 Gefangene und vier Soldaten wurden verletzt. Die meisten Insassen hatten sich selbst angezündet und verbrannten. Nach einem Autopsiebericht wiesen fünf Leichen Schusswunden auf. Bereits am Donnerstag hatten sich 158 Insassen des Gefängnisses von Canakkale den Streitkräften ergeben. Die linksgerichteten Häftlinge protestierten gegen den Plan der Regierung, in neuen Haftanstalten die Zahl der Insassen auf ein bis drei pro Zelle zu reduzieren. Bisher sind Schlafsäle mit bis zu 60 Gefangenen normal. Die Häftlinge fürchten Isolation und Gewaltübergriffe von Aufsehern in den kleinen Zellen. Unter der scharfen Kritik von Menschenrechtsgruppen wurden in den vergangenen Tagen bereits mehr als 600 Gefangene in drei der neuen Gefängnisse überstellt. Ankara hatte Anfang Dezember die Inbetriebnahme der Haftanstalten neuen Typs zunächst zurückgestellt. Am Freitag trat das umstrittene Amnestiegesetz in Kraft, mit dem nach Regierungsangaben innerhalb eines Monats 35.000 Häftlinge freikommen. Wie Justizminister Hikmet Sami Türk mitteilte, sollen in den kommenden Jahren rund 5000 weitere Gefangene entlassen werden. Die Freilassungen würden die Aufteilung der derzeitigen Massenunterkünfte in den Haftanstalten in kleinere Zellen ermöglichen. Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer hatte das Gesetz zunächst zu verhindern gesucht. (ap, afp) |