junge Welt, 26.12.00 Pokerspiel um ein Nahost-Abkommen Barak knüpft Zustimmung zu Clinton-Plan an Arafat- Entscheidung. jW-Bericht Die israelische Regierung schiebt die Verantwortung für den Friedensprozeß im Nahen Osten an die palästinensische Seite ab: Der amtierende Ministerpräsident Israels, Ehud Barak, will dem von US-Präsident William Clinton vorgelegten Friedensvorschlag für die Region nur dann zustimmen, wenn zuvor die Palästinenser ihr Ja zu der Initiative gäben. Barak erklärte am Montag abend im israelischen Fernsehen, wenn Palästinenser-Präsident Yassir Arafat den von Clinton vorgelegten Plan annehme, dann »müßte« auch Israel ihm zustimmen. Beide Seiten wollen Clinton bis zum heutigen Mittwoch ihre Position zu seinem Vorschlag übermitteln. Die palästinensischen Unterhändler, die am Montag in Gaza drei Stunden lang mit Arafat berieten, planten nach Angaben eines Sprechers, den Clinton-Vorschlag noch weiter zu erörtern. Am Montag nachmittag hatte Clinton den ägyptischen Staatschef Hosni Mubarak telefonisch über seine Vorschläge für eine Friedenslösung im Nahen Osten informiert. Wie ein Sprecher des Weißen Hauses mitteilte, war es ein »sehr kurzes Gespräch«. Mubarak führte nach Angaben der ägyptischen Nachrichtenagentur MENA auch Telefongespräche mit Barak und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über den Nahost-Friedensprozeß. Der ägyptische Präsident traf überdies in Kairo mit Arafat zusammen. Israels Außenminister Schlomo Ben Ami hatte nach Rundfunkangaben in der Nacht zum Montag von einem »Durchbruch« gesprochen und seiner Regierung die Annahme der Clinton-Pläne empfohlen. Die arabische Seite äußerte sich wesentlich skeptischer. Arafat vermied es jedoch, sich auf die Ablehnung der US-Vorschläge festzulegen. Es gebe noch viele Hindernisse, sagte er am Montag abend in Gaza nach der Rückkehr von dem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Mubarak. Clinton, der am 20. Januar aus dem Amt scheidet, will nach Möglichkeit vorher ein grundsätzliches Friedensabkommen erreichen. Der US-Vorstoß sieht israelischen Medienberichten zufolge eine Teilung Jerusalems vor. Demnach sollen die arabischen Viertel in Ostjerusalem sowie der Tempelberg mit der Al- Aksa-Moschee und dem Felsendom, der drittheiligsten Stätte des Islam, unter palästinensische Kontrolle kommen. Israel soll die Souveränität über die Klagemauer am Fuß des Tempelbergs behalten. Im Gegenzug sollen die Palästinenser Abstriche beim Rückkehrrecht für die palästinensischen Flüchtlinge machen - nach UN-Schätzungen 3,7 Millionen Menschen. Israel würde sich den Vorschlägen zufolge vollständig aus dem Gazastreifen und zu 95 Prozent aus dem Westjordanland zurückziehen. Allerdings soll der Großteil der jüdischen Siedlungen im Zuge eines Gebietsaustauschs dem Staat Israel zugeschlagen werden. Indes geht Israel offensichtlich von einer anhaltenden Konfrontation mit den Palästinensern aus. So kündigte der israelische Vize-Verteidigungsminister Ephraim Sneh den Bau eines mehr als 70 Kilometer langen Schutzwalls entlang der früheren »grünen Grenze« zum Westjordanland an. Die Regierung habe dafür 100 Millionen Schekel (52,8 Millionen Mark) bereitgestellt. Mit dem durch Betonblöcke verstärkten Alarmzaun solle unter anderem verhindert werden, »daß Terroristen nach Israel einsickern«, erklärte Sneh im israelischen Rundfunk. Angesichts der anhaltenden Spannungen in den israelisch besetzten Gebieten
Palästinas rief der israelische Kabinettsminister Schimon Peres seine
Landsleute dazu auf, die Chance für ein abschließendes Friedensabkommen
zu ergreifen. »Wir müssen wählen zwischen einem Abkommen
mit allen Verdiensten und Fehlern und einem Abgrund«, sagte er am
Dienstag.
|