taz 28.12.2000

jobs für asylbewerber

Gesucht: deutsche Karteileiche

Es schien wie ein Fortschritt. Seit knapp zwei Wochen, seit dem 15. Dezember, dürfen auch Asylbewerber wieder arbeiten. Ein Erlass von 1997 wurde weitgehend aufgehoben. Doch hätte sich Rot-Grün das neue Dekret sparen können. Was wie ein großer Sieg der Humanität gefeiert wurde, erweist sich in der Praxis als folgenloser Flop. Auch weiterhin werden die allermeisten Asylbewerber unbeschäftigt in ihren Heimen sitzen und von der Sozialhilfe leben müssen.

Kommentar von ULRIKE HERRMANN

Denn die entscheidende Hürde wurde nicht abgebaut: Wie schon zu Zeiten der Regierung Kohl darf sich ein Asylbewerber nur dann um einen Job bewerben, wenn wirklich gar kein, aber auch gar kein arbeitsloser Deutscher dafür in Frage kommt. Das aber ist fast nie der Fall. Bei offiziell 3,6 Millionen gemeldeten Arbeitslosen findet sich immer jemand, der zum Beispiel nachts als Küchenhilfe in einem Restaurant aushelfen könnte. Zumindest theoretisch. Ob es sich praktisch um eine deutsche Karteileiche handelt, die andere Pläne für ihr Leben jenseits der Statistik hat, interessiert weder Arbeitsamt noch Verordnung.

Nahe liegend wäre, Asylbewerber mit allen anderen Jobsuchern gleichzustellen. Keinen Unterschied mehr zu machen zwischen Flüchtlingen und Deutschen. Die Realitäten sprechen dafür: Insgesamt könnten sich überhaupt nur 85.000 Asylbewerber um Stellen bewerben - bei insgesamt 34,8 Millionen Erwerbstätigen wahrlich keine formidable Konkurrenz. Zudem arbeiten viele Asylbewerber sowieso schon, nur bisher illegal. Denn die Arbeitgeber stellen sie gern ein, weil die meisten Jobs sonst unbesetzt blieben.

Doch zählen Realitäten nicht. Ausgetragen wird ein symbolischer Kampf - wie immer in der Einwanderungspolitik. Auch am Beispiel von 85.000 Asylbewerbern soll klargestellt werden: Deutsche gehen vor. Dass Immigranten bereichern könnten, auch im ganz materiellen Sinne, ist selbst dann unvorstellbar, wenn harte Fakten es belegen.

Und es gibt keine Aussicht, dass sich an dieser ideologischen Orientierung demnächst etwas ändern könnte. Erst kürzlich veröffentlichte die Böckler-Stiftung eine erschreckende Studie: Die Mehrheit der Deutschen "hat Angst davor, dass noch mehr Ausländer zu uns kommen". Diese Panik zieht sich quer durch alle Schichten, alle Altersgruppen, alle Parteien, ist in Ost und West verbreitet.

Kein Wunder, dass auch bei Rot-Grün Fortschritte in der Asylpolitik nur scheinbar sind.