Badische Zeitung, 28.12.2000 Mit Hilfe von "Eurodac" werden EU-weit Daten von Asylbewerbern verglichen / Technische Amtshilfe vom Bundeskriminalamt Der Fingerabdruck entscheidet über die Einreise Von unserer Redakteurin Frauke Wolter FREIBURG. Der erste Schritt für ein harmonisiertes Asylrecht in Europa ist getan: Vor einigen Tagen ist die so genannte Eurodac-Verordnung in Kraft getreten. Sie bildet die Rechtsgrundlage für die Einführung eines EU-weiten Systems, mit dessen Hilfe die Fingerabdrücke von Asylbewerbern, illegal Eingereisten und sich illegal in Europa aufhaltenden Personen verglichen werden können. Unterstützen soll Eurodac die Umsetzung des "One-Chance-Only "-Prinzips: Dahinter steckt eine Vereinbarung der europäischen Mitgliedsstaaten, wonach jeder Asylsuchende nur einmal im Bereich der EU einen Asylantrag stellen darf. Andernfalls droht die Ab- beziehungsweise Zurückschiebung. Ob ein Asylbewerber tatsächlich bereits in einem anderen EU-Land einen Erstantrag gestellt hat und über welchen Staat er möglicherweise illegal in die Union eingereist ist - darüber soll nun das zentrale, computergestützte Identifikationssystem Auskunft geben. Eurodac erleichtert somit die Anwendung des Dubliner Abkommens von 1990, wonach für die Prüfung eines Asylverfahrens grundsätzlich der "Ersteintrittsstaat" verantwortlich ist. Verhindert werden soll außerdem, dass Asylbewerber in verschiedene Identitäten schlüpfen und unterschiedliche Staaten um Aufnahme bitten. Einsatzbereit ist das System voraussichtlich in zwei Jahren, hieß es gestern beim Bundesinnenministerium. Noch allerdings seien nicht alle Mitgliedsstaaten auf dem gleichen technischen wie rechtlichen Stand, um sich Eurodac anzuschließen. Irland beispielsweise besitze kein mit Deutschland vergleichbares erkennungsdienstliches System, so eine Sprecherin. Gleichwohl will man in Luxemburg, wo die europäische Datenbank beheimatet sein soll, bereits im Januar die Aufträge für die Installation der Technik vergeben. Technische "Amtshilfe" für den Eurodac-Aufbaustab in Brüssel kommt dabei auch von Seiten des Bundeskriminalamts: Dort ist bereits seit 1992 das "Automatische Fingerabdruckidentifikationssystem" (AFIS) in Betrieb. Es speichert neben den digitalisierten Fingerabdrücken von Asylsuchenden und von sofort nach dem Grenzübertritt zurückgeschobenen Flüchtlingen auch die deutscher Straftäter und Strafverdächtigter. Die Sorge, dass diese Daten ebenfalls in Eurodac einfließen und somit EU-weit zu polizeilichen Zwecken Verwendung finden könnten, streitet das Ministerium ab: "Eurodac ist keine Straftäterdatei. Die Datenbank wird bei ihrem Start von Null aufgebaut." Außerdem würden die Daten anonymisiert: Versehen werden die zehn Fingerabdrücke nur mit einer Kennnummer sowie mit Angaben über Ort und Zeitpunkt der Antragsstellung, über das Herkunftsland des Anwärters und dessen Geschlecht. In Eurodac aufgenommen werden alle Personen, die mindestens 14 Jahre alt sind. Die Daten von Asylbewerbern werden zehn Jahre gespeichert; zwei Jahre bewahrt man die Informationen über Personen auf, die beim illegalen Überschreiten einer Außengrenze aufgegriffen worden sind. Dass Fingerabdrücke auch dann zu hinterlegen sind, wenn an sich kein Zweifel über die Identität einer Person herrscht, kritisieren Juristen allerdings seit langem als verfassungswidrig. Mit Hilfe von Eurodac würden vor allem Daten auf Vorrat gesammelt, heißt es. Dem Grundrecht auf "informelle Selbstbestimmung" jedenfalls - dem Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen - laufe Eurodac eindeutig zuwider.
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