Frankfurter Rundschau, 28.12.2000 Skepsis vor neuem Nahost-Gipfel Palästinenser und Israelis ringen um Clintons Friedensplan / Protest in Jerusalem Einen Tag vor einem neuen Nahost-Gipfeltreffen in Ägypten haben die Führungszirkel Israels und der Palästinenser am Mittwoch jeweils intern um ihre Verhandlungspositionen gerungen. Aus palästinensischen Kreisen wurde eine ablehnende Haltung zum jüngsten Vorschlag des US-Präsidenten Bill Clinton signalisiert. Die Gipfelvorbereitungen wurden von Demonstrationen rechter Siedler in Israel begleitet. JERUSALEM, 27. Dezember (dpa/rtr/geg). Bei dem Treffen in Scharm-el- Scheich wollen der amtierende israelische Regierungschef Ehud Barak, Palästinenserpräsident Yassir Arafat und der ägyptische Präsident Hosni Mubarak am heutigen Donnerstagabend den Friedensplan der USA erörtern. Der Termin für diesen kurzfristig vereinbarten Nahost-Gipfel war am Mittwochmorgen bekannt geworden. Angesichts der großen Spannungen in beiden Lagern erklärte sich die US-Regierung bereit, die Frist für die endgültige Entscheidung beider Seiten bis zum Wochenende zu verlängern. Das israelische Sicherheitskabinett, der Kreis der wichtigsten Minister, nahm am Mittwoch Beratungen über den US-Kompromiss auf, die sich bis in den späten Abend ziehen sollten. Mindestens drei Minister verweigerten Barak im Verlauf stundenlanger Diskussionen offenbar die Unterstützung für ein Abkommen. Nach der Sitzung werde die israelische Regierung entscheiden, hieß es. Außenminister Schlomo Ben-Ami kündigte an, beide Seiten würden ihre Bedenken gegen den US-Plan vorlegen. Auf dieser Grundlage müsse Clinton entscheiden, ob es eine Basis für einen weiteren Gipfel gebe. Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, sagte im NDR, im Unterschied zum bisherigen Vorschlag würden die Palästinenser nicht nur die Verwaltung über den Tempelberg behalten, sondern auch die Souveränität bekommen. Diplomatischen Kreisen und israelischen Medienberichten zufolge schlug Clinton eine Teilung der Altstadt Jerusalems vor. Die Palästinenser sollten im Gegenzug nicht auf der Forderung nach einem Rückkehrrecht für ihre Flüchtlinge beharren. Die palästinensische Autonomieregierung sandte einen offiziellen Brief an Clinton, in dem die palästinensischen Vorbehalte aufgeführt werden. Arafat sagte: "Ich hoffe, wir werden während der nächsten drei Tage einen Durchbruch zur Befreiung Jerusalems, der Hauptstadt Palästinas, schaffen." Der Palästinenser-Präsident wollte noch am späten Mittwochabend mit dem Exekutivrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) über Clintons Vorschläge beraten. Arafat soll von Ägypten und Jordanien dazu gedrängt worden sein, kein Friedensabkommen mit Israel zu schließen, bevor Clinton am 20. Januar sein Amt an seinen Nachfolger George W. Bush übergibt. Die saudiarabische Tageszeitung Okas berichtete, beide Länder seien überzeugt, dass ein Abkommen unter der neuen US-Regierung zu "besseren Ergebnissen" führen werde. Die Vermittlungsvorschläge der USA sehen offenbar vor, dass die Palästinenser auf das Rückkehrrecht von Millionen Flüchtlinge nach Israel verzichten. An diesem Punkt könnte mithin ein Friedensvertrag am ehesten scheitern. Israel hat klargemacht, das es um keinen Preis in eine Formel einwilligen wird, die den insgesamt weltweit 3,6 Millionen palästinensischen Flüchtlinge ein grundsätzliches Recht einräumt, sich in Tel Aviv, Haifa oder Jaffa anzusiedeln. Die Palästinenser verlangen aber, dass Israel Verantwortung für das Entstehen des Flüchtlingsproblem übernimmt und zumindest im Prinzip das Rückkehrrecht anerkennt, auch wenn es praktisch gesehen nur einer Minderheit zugute komme. Die Teilnehmer der Proteste in Israel wandten sich vor allem gegen den Vorschlag, Israel solle die völlige Kontrolle über den Tempelberg aufgeben. In Jerusalem protestierten rechtsgerichtete Israelis mit einem Bus- und Lastwagenkorso rund um das Regierungsviertel. Jüdische Ultranationalisten nannten Barak einen Verräter. An der Grenze zu Jordanien stürmte eine Gruppe israelischer Siedler einen Posten der Armee.
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