junge Welt, 29.12.2000 »Wir sind gekommen, euch zu prügeln« Augenzeugenbericht über den Gefängnissturm in der Türkei In der vergangenen Woche haben Sondereinheiten der türkischen Polizei und des Militärs die Gefängnisse gestürmt, in denen Häftlinge mit einem Todesfasten gegen die Einführung der Isolationshaftanstalten protestierten. Bei den Gewaltaktionen wurden mindestens 29 Menschen getötet. jW veröffentlicht im folgenden Auszüge aus einem Bericht von Ayla Oezcan, die als Teilnehmerin des Todesfastens die Erstürmung des Bayrampasa-Gefängnisses erlebte: Am 19. Dezember, gegen 5.00 Uhr morgens, bin ich durch eine Explosion aufgewacht. Ein Freund rief: »Die stürmen das Gefängnis«. Wir haben uns alle schnell angezogen. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich die millitärischen Sondereinheiten auf den Dächern. Sie hatten Gasmasken auf, ihre Waffen waren auf die Zellen gerichtet. Wir hatten uns noch nicht ganz angezogen, als die Soldaten anfingen zu schießen. Wir haben uns daraufhin auf den Boden geworfen. Danach versuchten die Soldaten, Löcher in die Dächer zu reißen. Währenddessen beschimpften sie uns ununterbrochen. Sie sagten: »Wir sind gekommen um euch totzu-prügeln.« Sie rissen die Decke weiter auf. Durch die Löcher haben sie uns mit Gasgranaten bombardiert. Wir konnten kaum atmen, waren kurz vor dem Ersticken. Deshalb haben wir die Handtücher, die wir naß gemacht hatten, vors Gesicht gehalten, um die Wirkung des Gases zu mindern. Schließlich haben wir die Scheiben unserer Zelle eingeschlagen, um mehr Sauerstoff zu bekommen. Die Gasbomben-Angriffe nahmen kein Ende. Wir haben uns neben das eingeschlagenen Fenster gestellt, damit wir besser atmen konnten. Der Zustand einiger Freunde hat sich durch den Gasgeruch verschlechtert. Die Soldaten führten ihre Massaker fort, zugleich haben sie durch die Megaphone »Ergebt euch - wenn ihr euch nicht ergebt, werden wir euch alle totschlagen« gerufen. Durch die Angriffe mit den Gasbomben kam es schließlich zu Bränden. Als wir die Feuer löschen wollten, haben wir Gas eingeatmet. In der Zeit versuchten die Sondereinheiten, sich vom Dach in den Hof abzuseilen. Sie haben es aber nicht geschafft. Von den Dächern schossen sie mit Schußwaffen weiter. Durch das Gas hatten viele ihr Bewußtsein verloren. In der Zelle wurde das Feuer stärker. Wir mußten raus. Die Tür ging jedoch erst nicht auf. Überall waren dunkle Wolken und Feuer. Ich bekam keine Luft, konnte nicht atmen. Als ich ganz kurz normal atmen konnte, versuchte ich, auf die Beine zu kommen. Ein paar Schritte konnte ich gehen. Danach hat mich eine Genossin zur Tür geschubst. Schließlich war ich draußen.
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